Frauenbataillon
Furiending abschießen. Solange sie lebt, wird Ugarow nur ihr Fußabtreter sein.
Soja Valentinowna tobte fast eine Stunde. Die ganze Zeit über sagte Ugarow klugerweise keinen Ton, nur als ihr einmal der Atem versagte und sie sich keuchend gegen die abgestützte Erdwand lehnte, wandte er sich an Miranski und fragte ihn:
»Sie sind mein Freund, Foma Igorewitsch, nicht wahr?«
»Das wissen Sie doch, Victor Iwanowitsch. Welche Frage!«
»Können Sie für eine Stunde Ihren Bunker räumen? Es wäre, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Liebesdienst …«
Miranski starrte Ugarow entgeistert an, begriff, warf sich seinen Pelzmantel über und verließ den Unterstand. Sitten sind das, durchfuhr es ihn. Oh, wo sind wir hingekommen?! Da drüben lauert der Tod, und ich muß im Frost Spazierengehen, weil ein guter Freund das Bett braucht. Hoffentlich wird das nicht allgemein bekannt!
Ugarow wartete, bis Miranski den Bunker verlassen hatte. Wortlos ließ er danach seine Hose fallen und winkte mit dem Daumen zur Pritsche.
»Komm!« sagte er schlicht. »Nun komm schon …«
Mit einem dumpfen Laut warf sich Soja Valentinowna in seine Arme und biß ihn in die Halsbeuge.
In der nächsten Nacht geschah etwas Unangenehmes: Die vier Mädchen des I. Zuges, die zum erneuten Postenklau ins Niemandsland schlichen, stießen auf nicht einkalkulierten Widerstand. Als sie vor dem Beobachterstand erschienen und ihre Blusen öffneten, erwartete sie keine maßlose Verblüffung – aus drei Gewehren zuckte ihnen Feuer entgegen.
Es war die große Stunde von Leutnant Giovanni Lambordi, aber es war auch seine letzte.
Der Tod der drei hohen deutschen Offiziere hatte beim Oberkommando der italienischen 8. Armee peinliche Betroffenheit ausgelöst. Oberst v. Stareken, einer der Verbindungsoffiziere zur Heeresgruppe Don, verfaßte für Generalfeldmarschall v. Manstein einen eingehenden Bericht, der zusammen mit den drei Leichen zwei Tage später eintraf. Was man schamhaft verschweigen wollte, wurde nun offenkundig: Im Gebiet von Tschjertkowo verschwanden vorgeschobene Posten – ›ohne Fremdeinwirkung‹, wie es im guten Amtsdeutsch hieß – und auf sowjetischer Seite wurden Scharfschützen eingesetzt. Die exakten Einschüsse in die linken Augen der drei toten Offiziere, die auf den beiliegenden Fotos gut erkennbar waren, bekamen somit fast dokumentarischen Wert.
Zwischen der Heeresgruppe Don und dem Büro Oberst v. Starekens bei den ›Alpinis‹, wie man die Italiener nannte, liefen die Telefondrähte heiß. Es war weniger der Tod der Offiziere, der den Stab erschütterte, daß er sich zu einer Sondersitzung zusammenfand. Es war auch peinlich genug, daß unangebrachte Neugier zu einer solchen Tragödie geführt hatte. Nein, es waren vielmehr die Begleitumstände, die zur Besorgnis Anlaß gaben.
Wieso verschwinden spurlos vorgeschobene Posten? Warum hält die italienische Armee es nicht für nötig, über diese Vorfälle zu berichten? Zeigt sich hier eine Demoralisierung der Italiener, die bei der zu erwartenden russischen Offensive ein ähnliches Desaster nach sich ziehen kann wie im vergangenen Jahr der Durchbruch der Sowjets bei der 3. rumänischen Armee im Don-Bogen zwischen Jelanskaja und Kletskaja? Damit hatte die Tragödie Stalingrad begonnen. Den Russen gelang die Einkesselung der 6. Armee, und 60 sowjetische Divisionen stießen ihre Keile zwischen die Paulus-Armee und die anderen, weit abgeschlagenen deutschen Armeen im Steppenland.
Sollte sich so etwas hier zwischen Don und Donez wiederholen?
Mit dem Verharmlosen von Überläufern fing es an – mit einem Aufreißen der Front auf 100 km Breite konnte es zu Ende gehen.
Die Kompaniechefs wurden zum Regiment befohlen. Dort stand ein wütender Oberstleutnant, brüllte herum, beschwor die Ehre Italiens und erinnerte an das Heldentum der Römer, deren Kampfkraft und Moral dereinst beispielhaft gewesen seien, die danach die Welt erobert und den Germanen beigebracht hätten, was eine Wasserleitung war, ein heißes Bad und eine Fußbodenheizung – eben diesen Germanen, die jetzt mit mokantem Lächeln die militärische Ethik ihrer Verbündeten bezweifelten.
»Von jetzt an geht mindestens ein Feldwebel mit hinaus auf Posten!« brüllte der Regimentskommandeur. »Ich will von keinem Abgang mehr hören! Ab sofort wird jeder Offizier für jeden Überläufer verantwortlich gemacht! Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
Einen solchen Anschiß wollte Leutnant Giovanni Lambordi nicht auf sich
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