Frauenbataillon
zum Wecken.
Wohin geht ein Soldat nach neun Wochen Isolierung bei guter Verpflegung?
»Jetzt braucht der Puff von Posen eimerweise essigsaure Tonerde zum Kühlen«, sagte Dallmann neidvoll. »Jungs, der muß erzählen, wenn er nach Hause kommt! Wer von euch weiß denn noch, wie eine Brustwarze aussieht?!«
Aber mit Hesslich war eben alles anders. Er hetzte nicht ins Puff, sondern besuchte das Stadttheater Posen und sah sich ›Ein Bruderzwist in Habsburg‹ von Franz Grillparzer an.
»Total bekloppt!« stöhnte Uwe Dallmann erschüttert, als Hesslich davon berichtete. »So etwas bekommt einen Urlaubsschein bis zum Wecken! Grillparzer …«
Am 10. Januar 1943 ließ Major Molle Hesslich und Dallmann zu sich rufen.
»Sie werden übermorgen an die Heeresgruppe Don abgestellt und melden sich bei der 8, italienischen Armee.«
»Oje!« sagte Dallmann vorlaut. Molle sah ihn erstaunt an.
»Was soll das heißen, Unteroffizier?«
»Zu den Itakern! Sollen wir denen zeigen, wie man ein Gewehr lädt?«
»Ihr Vorurteil gegenüber unseren Verbündeten wird Ihnen schon noch vergehen, Dallmann. Die Italiener haben Beachtliches geleistet. Als die erste Garde-Armee der Sowjets massiv die Front am Don angriff, hat die geschwächte, von der mörderischen Kälte fast erstarrte 8. italienische Armee ein Rückzugsgefecht geliefert, das sich sehen lassen konnte. Die an Sonne gewöhnten Italiener haben in diesem Frost vor Verzweiflung geweint, aber es gelang ihnen, die Einkesselung aufzubrechen. Sie schlugen sich nach hinten durch, setzten sich schließlich an der Bahnlinie Millerowo – Rossosch fest und bildeten so einen Keil zwischen der sowjetischen 6. Armee und 1. Garde-Armee. General Badanow von der 1. Garde behauptete zwar: ›Die Italiener sind weggeblasen!‹, aber das stimmt nicht. Sie halten ihre Stellung! Und Sie beide reisen übermorgen genau dorthin. Die Italiener haben im Gebiet von Tschjertkowo Kummer.«
»Also doch!« sagte Uwe Dallmann.
Major Molle blickte Hesslich und Dallmann ernst an und klappte dann eine Mappe auf. »Der Befehl kommt vom OKH selbst. Berichte von Abwehr und Fremde-Heere-Ost bestätigen folgende Beobachtungen der Italiener: Bei Tschjertkowo liegt ihnen ein Frauenbataillon gegenüber. Scharfschützinnen. Die Verluste sind alarmierend. Jungs« – Molle gab sich erstaunlich leutselig und vertraut – »ich erwarte von euch, daß ihr am Don nicht vergeßt, was ihr in Posen gelernt habt. Ob rote Lippen oder stramme Titten – euch liegt der Tod gegenüber. Sonst nichts! Denkt immer daran: Der Tod hat tausend Kostüme!«
An diesem Abend wurde noch einmal kräftig gesoffen. Uwe Dallmann geriet gegen Morgen in eine weinerliche Stimmung und greinte immerzu: »O Scheiße! O diese Scheiße! Gegen Weiber müssen wir kämpfen … ich muß sie umlegen, ohne mich draufzulegen … dieser Scheißkrieg!« Er lag auf dem Rücken, starrte gegen die Zimmerdecke, und sein Gesicht zuckte wie unter Krämpfen.
Aber zwei Tage später, am 12. Januar, fuhren sie dann doch nicht ab.
Am 12. Januar brüllte am Don, vom großen südlichen Bogen bis 500 km hinauf nach Norden bei Nowosil, östlich von Orel, die Front unter dem Donnern von 16.000 Geschützen auf.
Die sowjetische Winteroffensive hatte begonnen.
Die Brjansker Front unter General Reiter, die Woronesch-Front unter General Golikow, die Südwest-Front unter General Watutin und die Süd-Front unter Generaloberst Jeremenko fluteten nach Westen. Sie fluteten im wahrsten Sinne des Wortes: 13 sowjetische Armeen mit 7.100 Panzern und 2,4 Millionen Soldaten rannten gegen 6 deutsche und verbündete Armeen an, gegen deutsche Divisionen, die oft nur noch Brigadestärken hatten, gegen deutsche Kompanien, die aus 40 oder 50 vom klirrenden Frost entnervten und ausgemergelten Männern bestanden, die längst alle Hoffnung aufgegeben hatten.
Ein rotes Meer überschwemmte die Steppe am Don. Mit voller Wucht traf die sowjetische 1. Garde-Armee auf die italienische 8. Armee und durchstieß die Stellungen in einem Sturmlauf von Infanterie und Panzern, nachdem zuvor die Artillerie stundenlang die Menschen in die Erde gehämmert hatte.
Die gesamte deutsche Front wich unter diesem Anprall zurück. Bei heulenden Eisstürmen begann der Rückzug, durchschlug man die sich überall abzeichnenden sowjetischen Kessel, rettete in Gewaltmärschen, was noch mitzuschleppen war, flüchtete vor den Massen ausgeruhter russischer Soldaten und ihrer materiellen Überlegenheit, gegen die es keine
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