Frauenbataillon
Wehrsportgruppe oder dem NSKK, dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps. Selbst sein Forstrat meinte, wenn Hesslich einmal Karriere machen wolle, sei es für ihn unerläßlich, daß er irgendein Parteiabzeichen trage. Ohne diese Blechmarke sei man als Staatsbeamter immer der Letzte auf der Beförderungsliste, sichtbares Nationalgefühl sei nun einmal jetzt der beste Ausweis, hundertmal besser als alle Zeugnisse oder Leistungen. Da starb plötzlich Friedrich-Wilhelm Hesslich, der Studienrat. Genauer gesagt, er erstickte an einer in der Luftröhre festgeklemmten Goldbarschgräte. Ehe ein Arzt eingreifen konnte, war Hesslich tiefblau im Gesicht und atmete nicht mehr.
Durch diesen sinnlosen Tod ihres Mannes verfiel Wilhelmine Hesslich, Peters Mutter, in Trübsinn, aus dem sie nicht mehr erwachte. Sie dämmerte dahin, mußte schließlich in ein Heim gebracht werden und erkannte ihren eigenen Sohn nicht mehr.
Nur wenige Wochen nach der häuslichen Tragödie folgte eine berufliche. Seit Monaten wurde in Peter Hesslichs Revier gewildert, wahllos wurden Böcke und tragende Rehe geschossen, verwundete Kitze verendeten elend – es war wirklich eine Riesensauerei. Tag und Nacht waren jetzt Streifen unterwegs, einen Verdächtigen gab es nicht, und es gab auch keine Spuren, bis auf die Schweißstellen und die verendeten, angeschossenen Tiere.
In einer hellen Mondnacht stand Peter Hesslich dann plötzlich dem unbekannten Wilderer gegenüber. In einem Hohlweg, genau am Wildwechsel, trat der Unbekannte aus dem Wald – ein großer, schwerer Mann in dunkelblauem Trainingsanzug und Gummistiefeln.
Peter Hesslich rief ihn pflichtgemäß an. »Halt! Bleiben Sie stehen!«, aber der Mann dachte gar nicht daran. Er drehte sich blitzschnell herum, riß seine Büchse hoch und legte auf den deckungslosen Hesslich an.
Später wußte Hesslich nicht, wie er es erklären sollte: Er war schneller. Sein Schuß kam einen Wimpernschlag eher als der Schuß seines Gegners. Während die Kugel des Wilderers irgendwo im Nachthimmel davonschwirrte, schlug Peters Kugel ein. Mit ungläubigem Staunen sah Hesslich, wie der Mann umkippte, das Gewehr aus seinen Händen glitt und sich der Körper streckte. Entsetzt rannte er zu ihm hin, fiel neben ihm auf die Knie und hob den Kopf des Getroffenen. Es war fürchterlich. Er hatte einen Menschen erschossen. Gewiß, es war Notwehr – aber er hatte ihn getötet!
Im Forsthaus betrank er sich. Den Toten hatte man bis zum Eintreffen von Polizei und Leichenwagen im angrenzenden Schweinestall in eine leere Box gelegt.
»Ich habe einen Menschen getötet«, sagte Peter Hesslich immer wieder mit monotoner Stimme. »Ihr könnt mir zureden, soviel ihr wollt – ich habe ihn getötet. Das hat noch keiner von euch getan! Ihr habt ja keine Ahnung, wie einem da zumute ist.«
Alle Vorgesetzten bis hin zum Forstrat erschienen am Tatort, besichtigten den Toten im Schweinestall und bewunderten den Einschuß.
»Mitten in die Stirn«, sagte der Förster, Peters unmittelbarer Chef. »Man stelle sich das vor – aus einer blitzschnellen Reaktion heraus so ein Schuß! Toll, was?«
»Eine Naturbegabung.« Der Forstrat nickte mehrmals anerkennend. »Hat denn bei den Schießübungen keiner etwas von diesem Talent bemerkt?«
»Die Ergebnisse waren normal, das heißt: immer die besten! Aber wer denkt denn daran, daß …«
»Die Blindheit gegenüber dem Naheliegenden ist es, die dem völkischen Aufbau immer wieder schadet«, sagte der Forstrat weise. »Du lieber Himmel, wenn man bedenkt, wieviel ungenutzte Talente in diesem Hesslich schlummern! Er ist ein guter Mann, aber im Grunde ein ganz fauler Hund. Was könnte aus dem noch alles werden! Warum hat der Bursche bloß keinen Ehrgeiz? Da muß doch was zu machen sein …«
Man ›machte‹ tatsächlich etwas: Das Staatsforstamt verzichtete zum nächstfälligen Termin, für den Forsteleven Peter Hesslich erneut einen Antrag auf Zurückstellung vom Wehrdienst wegen Unabkömmlichkeit zu stellen, sondern gab ihn für das Militär frei. Vertraulich schrieb der Forstrat an den Kommandeur des Wehrkreiskommandos: »Peter Hesslich ist hochbegabt in allen Sportarten und ein hervorragender Schütze. Unserer Behörde liegt viel daran, daß seine Talente auch beim Militär gefördert werden. Peter Hesslich berechtigt zu den größten Hoffnungen im Sinne des Führergedankens, daß eine Auslese unter den besten deutschen Männern die Zukunft des Reiches sichert.«
Ein infamer Brief, der sich
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