Frauenbataillon
Verbandsplatz ein, das Verpflegungslager, die Werkstätten, den Bataillonstroß, die Schreibstuben und die Funkstation. Auch ein Spezialwagen tauchte in Melechowo auf – ein Fahrzeug mit einer riesigen wippenden Antenne und einem aufspannbaren Schirm voller Drähte.
»Ein Wunderding ist das!« berichtete Kommissar Miranski stolz, als er in den vorderen Graben zurückkehrte. Er war in Melechowo gewesen, um mit einem Mitglied des Büros für politische Schulung um seine Stellung zu kämpfen. Der Erlaß Stalins, daß die politischen Kommissare aus den Truppenteilen zurückzuziehen und ihre Positionen von Offizieren zu besetzen seien, hatte bei Foma Igorewitsch blankes Entsetzen ausgelöst. Wie ein gerupfter, seiner männlichen Federpracht beraubter Hahn rannte er herum und beklagte den wirklichkeitsfremden Ukas aus Moskau oder saß trübsinnig auf einem Hocker und brütete über Gedanken und Argumenten für eine lange Eingabe an die Zentrale.
Mit einem Hoffnungsschimmer kehrte er nun zu ›seinen Mädchen‹, wie er die Scharfschützinnen nannte, zurück. Der Genosse aus Moskau hatte ihm versprochen, ein gutes Wort dafür einzulegen, daß man Miranski als Offizier im Range eines Majors übernahm. Dann konnte er bei seiner Einheit bleiben.
»Es wird gelingen«, ermutigte der Inspekteur den innerlich bebenden Miranski. »Der Ruf Ihrer Truppe ist hervorragend. Gratuliere, Foma Igorewitsch. Sie haben die besten Scharfschützinnen der Roten Armee um sich versammelt. Das weiß man in Moskau natürlich. Und man weiß auch, daß die beispielhafte innere Moral der Genossinnen Ihr Werk ist! Seien Sie voll Hoffnung, Genosse!«
Wenn jemand in Gegenwart Miranskis von Moral sprach, konnte es passieren, daß dieser nervös an seiner Unterlippe kaute. Im Grunde hatte sich Foma Igorewitsch am 3. März verändert. Die 3. Panzer-Armee hatte Charkow erobert und war auf stürmischem Vormarsch nach Poltowa, als die Gruppe Bajda in die befreite Stadt verlegt wurde. Sie bezog ein schönes Haus in der Nähe des Theaters und wartete darauf, eingesetzt zu werden.
Es war eine langweilige Zeit. Man stickte oder musizierte, bastelte Puppen oder schrieb. Ein paar Mädchen holten sich junge Burschen in den Keller des Hauses, wo sie Matratzen ausgelegt hatten, und tobten dort ihre aufgestauten Leidenschaften aus. Man ging auch ins Theater, das sofort nach der Eroberung wieder spielbereit gemacht wurde, und Miranski fuhr ab und zu an den Fluß Uda, um zu angeln. Erst in einem Eisloch, wo er vier Schnüre auslegte und auf einem dicken Fuchsfell sitzend geduldig wartete, bis die Leinen zuckten, und später im freien Wasser, wo er in einem alten Kahn hockte, den er mit einem dicken Tau am Ufer festgebunden hatte.
Eigentlich war dieser Kahn daran schuld, daß Miranski mit dieser Moral in Konflikt kam. Eines Tages hatte er Darja Allanowna Klujewa zum Angeln mitgenommen. Sie selbst hatte den Wunsch geäußert und versprochen, ganz still und ohne einen Ton von sich zu geben im Boot sitzen zu bleiben, die Fische nicht zu verschrecken und überhaupt alles zu tun, was Foma Igorewitsch befehlen würde. Sie habe sich schon immer fürs Angeln interessiert, sagte sie, und Fisch sei ihre Lieblingsspeise. Und Miranski war so gutmütig, darauf einzugehen, und so nahm er sie mit an die Uda.
Man muß Darja Allanowna kennen, um zu begreifen, worauf Miranski sich da einließ. Sie hatte rotblonde Haare, die in der Sonne wie gewachstes Kupfer schimmerten und überall, wo man es bei einem schlanken zwanzigjährigen Mädchen erwarten durfte, war ihr Körperchen mit zarten Rundungen gesegnet. Ihre graugrünen Augen blitzten, und wenn sie lachte, gruben sich an beiden Wangen sternförmige Grübchen in die Haut. Allein sie anzusehen war eine wahre Lust, und wenn sie aufgeregt erzählte, klang es wie Schwalbenzwitschern. Oft hatte Miranski ihr nachgeblickt, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, hatte ihren federnden Gang und das sanfte Sichwiegen ihrer schmalen Hüften bewundert. In ihrem Trefferbuch waren bisher 32 Abschüsse verzeichnet – ganz abgesehen von dem dreimaligen Postenklau. Nach Schanna, der Schafhirtin vom Baikalsee, war sie die Jüngste in der Abteilung. Und außerdem war sie die fröhlichste.
Darja saß also an diesem ungewöhnlich sonnigen Tag im Kahn neben Miranski, der seine Angel ausgeworfen hatte und auf den Schwimmer aus Kork starrte. Für einen 3. März war es eigentlich viel zu warm. Auf der Uda trieb noch in dicken, großen Schollen das Eis, doch
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