Frauenbataillon
hatten wir vier Verluste … Kopfschüsse.«
»Das sind unsere Mäuschen!« Plötzerenke lachte gemütlich. Er klopfte dem Sonderführer auf die Schulter und winkte dann zum Flußufer. »Nur keine Panik! Bis hierher reichen sie nicht. Da mußte schon am Ufer stehen – oder ihnen ins Visier laufen, wenn sie nachts drüben in den Dorfruinen lauern. Kannst die Rübe ruhig hochnehmen, Kumpel!«
Der Sonderführer verzichtete auf eine Antwort und atmete erst auf, als er bei Leutnant Bauer III im Erdbunker saß und einen höllisch brennenden Schnaps trank. Noch immer schwieg die sowjetische Seite. Kein Artilleriefeuer. Sommerliche Stille.
»Muß ein verdammt komisches Gefühl sein, Weibern gegenüberzuliegen«, sagte der Propagandamann, während ein junger Soldat, der in der ruhigen Zeit als ›Chefordonnanz‹ diente, das Abendessen, ein knusprig gebackenes Hühnchen, servierte.
»Man gewöhnt sich dran.« Bauer III hob die Schultern.
»Euch muß doch kotzübel sein vor Haß auf diese Flintenweiber!«
»Warum? Es sind Soldaten wie wir. Sie tragen eine Uniform.«
»Sie knallen euch aus dem Hinterhalt ab!«
»Was heißt Hinterhalt?« Bauer III machte eine weitausholende Armbewegung. »Überall ist Krieg. Es gibt kein Vorn oder Hinten, Oben oder Unten. Wo und wie man aufeinandertrifft – spielt das eine Rolle? Man muß eben schneller sein, den anderen vorher sehen, besser schießen – oder einfach nur Glück haben! Wir haben jetzt auch zwei sogenannte Spezialisten hier. Mal sehen, was die erreichen. Das sind knallharte Einzelkämpfer, die genau wissen, daß sie immer auf der Himmelsleiter stehen.«
»Interessant.« Der Propagandasonderführer kaute genußvoll an seinem Hühnchen. »Die möchte ich sehen. Das gibt einen schönen Bericht. Wo kann ich sie sprechen?«
»Irgendwo.« Bauer III zeigte hinüber zum Fluß, den in der Abendsonne gelbrot leuchtenden Donez. »Vielleicht am Fluß? Ich weiß es nicht. Manchmal sind sie tagelang draußen. Sie können sie ja suchen. Ich kann Sie davon nicht abhalten … nur warnen kann ich Sie. Am Fluß sind Sie in Reichweite der Mädchen.«
Am Abend zog die Propagandakolonne mit ihren Lautsprechern und Plattenspielern wieder ab und fuhr zurück zum Regiment. Die Ukrainerin, ein schlankes, flachsblondes Mädchen mit blauen Kulleraugen, trennte sich nur schwer von der 4. Kompanie, denn sie hatte inzwischen den neu eingetroffenen Fähnrich Lorenz v. Stattstetten kennengelernt. Auch er war schlank, blond, blauäugig, trug ein sonniges Lächeln zur Schau und auf dem Kopf, verwegen schief, eine zerknautschte Feldmütze. Als er die Mütze bekam, hatte er zunächst einmal den Versteifungsdraht aus dem Rand herausgezogen und die Mütze eingedrückt.
»Den sollte man als Spezialist bei den Weibern dort drüben einsetzen«, hatte Plötzerenke gesagt, als v. Stattstetten sich bei der 4. Kompanie meldete. »Der stellt sich ans Ufer- und hopp-hopp werfen die Süßen die Gewehre weg und heben die Röckchen! Jungs, der kommt hier ran, als wollte er gleich 'ne kesse Sohle aufs Parkett legen!«
Aber das täuschte. Der blonde Sonnenschein der Kompanie kam bereits mit Nahkampfspange und beiden EKs zu seiner neuen Truppe. Nun begleitete er die Ukrainerin der Propagandaabteilung noch ein Stück nach rückwärts, und als der Abschied unvermeidlich war, küßte er sie.
»Wir sehen uns nie wieder«, sagte sie leise und hielt seine Hand fest auf ihrer Brust.
»Ich weiß es nicht. Wenn du nicht wiederkommst …«
»Ich heiße Olga Fedorowna Nasarowa. Ich gebe dir meine Adresse. Du kannst mir schreiben.«
»Das werde ich.« v. Stattstetten notierte sich ihre Feldpostnummer und ihre Heimatanschrift. Sie kam aus Krementschug am Dnjepr und hatte einmal Lehrerin für deutsche Sprache werden wollen.
»Ich liebe dich«, sagte sie schlicht. Sie kannten sich erst drei Stunden, aber für Olga Fedorowna waren seine Augen bereits unvergeßlich geworden. Sie würde von jetzt an von ihm träumen, von seinen Lippen, von seinen schlanken, weichen Händen und von seinem jungenhaften Lachen, das sich in ihrem Herzen festsetzte. O ja, man kann in drei Stunden spüren, wie sich ein Leben verändert. Man kann einen Menschen in kurzer Zeit so vollkommen in sich aufnehmen, daß man sich untrennbar mit ihm verwachsen fühlt.
»Wenn der Krieg zu Ende ist …«
»Wer weiß, wo wir dann sind.«
»Wir werden uns finden … wir müssen uns nur suchen, wirklich suchen … ich werde dich suchen …«
Sie küßten sich noch
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