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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verbringen. Er ging vorsichtig in dem zerstörten Dorf herum und sah mit Staunen, was man alles angelegt hatte. Die Gärten waren gepflegt; in vier Ställen grunzten Ferkel; in einer großen, halbwegs erhaltenen Scheune drängten sich zehn Schafe. Am Tag weideten sie in einer Senke, die man von der deutschen Seite nicht einsehen konnte. Drahtzäune verhinderten ein Ausbrechen der Schafe.
    Wenn das Plötzerenke wüßte, dachte Hesslich und lächelte. Niemand würde ihn davon abhalten können, ein Schaf zu ›organisieren‹. Die Lebensgefahr zählte nicht. Junge, da läuft die Verpflegung vor der Tür herum – Ehrensache, daß man da nicht still zusieht.
    Hesslich entdeckte in der großen Scheune ein perfektes Versteck unter dem noch halb vorhandenen Dach. Die Sparren bildeten dort mit abgestelltem, rostendem Gerümpel ein unübersichtliches Gewirr, das niemand beobachten würde. Er kletterte einen Stützpfeiler hinauf, balancierte über einen freischwebenden Balken und erreichte die Gerümpelecke. Dort baute er, immer wieder nach draußen lauschend, sein Versteck aus, schob eine teils verrostete, teils faulende Deichsel nach vorn, baute aus Stroh, Säcken, zerschlissenen Spankörben, der verbeulten Motorhaube eines Treckers und einem schimmelnden Gummirad einen perfekten Sichtschutz und setzte sich dann dahinter in den engen Raum zwischen Fußboden und Dach.
    Unter ihm rumorten und trampelten die Schafe. Sie spürten die Nähe des Fremden und beruhigten sich nur langsam. Hesslich streckte sich aus. ›Dumm wie ein Schaf‹, das ist völlig falsch, dachte er. Die Tiere sind klüger als man glaubt. Wenn ich jetzt in die Scheune käme, ginge ich sofort in Deckung. Die Schafe würden mir verraten: Hier stimmt was nicht!
    Nachtstunden dauern unendlich lange, wenn man sie abwarten muß. Ab und zu blickte Hesslich auf seine Armbanduhr. Ehe eine Stunde vorüber war, hatte er Verdacht, die Uhr sei stehengeblieben. Ein paarmal hielt Hesslich sie an sein Ohr, sie tickte wirklich, die Sekunden tropften dahin, die Zeiger schlichen über das Zifferblatt. Es kam ihm tatsächlich so vor, als wolle diese Nacht nie zu Ende gehen.
    Beim Morgengrauen scheuerte Hesslich mit beiden Händen sein Gesicht und fühlte sich danach frisch. Die dadurch gesteigerte Durchblutung machte ihn hellwach. Er legte sich auf den Bauch, schob sich nach vorn und hatte fast die ganze Scheune unter sich im Blickfeld. Die Schafe standen dicht zusammengedrängt wie ein einziger grauweißer, wolliger Kloß.
    Gegen sieben Uhr früh kam Schanna Iwanowna. Sie trug Rock und Bluse und hatte wie eine Bäuerin das schwarze Haar unter einem Kopftuch verborgen. Nur zwei Dinge erinnerten daran, daß sie Soldat war: Die Militärstiefel und das Gewehr mit dem Zielfernrohr, das sie in der linken Hand trug. Schanna hatte heute Herdendienst. Die anderen Mitglieder der Gruppe Bajda hatten sich – bis auf drei Wachen – im weiter hinten liegenden dritten Graben beim Bataillonsstab versammelt und saßen in der ehemaligen Stolowaja, dem Gemeindesaal des Dorfes Burjenkowa, auf rohen Holzbänken.
    Politische Schulung. Ein Genosse aus Moskau war gekommen, um mit Hilfe von großen aufgespannten Karten zu erzählen, wie die Jahre 1943 und 1944 verlaufen würden. Foma Igorewitsch Miranski, der inzwischen die Nachricht erhalten hatte, daß man ihn tatsächlich als vollgültigen Offizier übernehmen würde, hatte den lieben Freund von der Zentrale herzlich begrüßt, schmatzend abgeküßt und dann eine flammende Rede gehalten. Nachher war er außer Atem, saß keuchend auf seinem Banksitz und genoß den Applaus.
    So ein Schulungstag hat etwas Gutes, meine Lieben. Nicht, daß man nachher klüger ist und mehr weiß über das, was alles kommen soll – nein, man bekommt auch Verpflegung aus der Bataillonsküche! Bei der Gruppe Bajda allerdings kam dies fast einer Bestrafung gleich, lebte sie doch vorne besser als hinten das Bataillon. Aber darüber sprach man nicht. Wen ging es schon etwas an, daß Miranski und Ugarow, unterstützt von der imponierenden Soja Valentinowna, innerhalb von zwei Monaten eine ganze Schafherde zusammengebracht und am Donez eine winzige Kolchose hatten entstehen lassen. Inspektionen, die ab und zu die Frauenabteilung besuchten, wurden nie in die Dorfruinen geführt, sondern nur bis zum Grabenrand. »Dort drüben sehen die Deutschen ein!« hieß es immer wieder. »Genossen, fordert das Schicksal nicht heraus! Bleibt in Deckung.«
    Diesem Rat wurde nur allzu gern

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