Frauenbataillon
einmal, dann blieb v. Stattstetten zurück und winkte Olga Fedorowna nach, bis der Kübelwagen, der sie zum Regiment brachte, im Kusselgelände der Steppe verschwand.
In der Nacht noch schrieb v. Stattstetten seinen ersten Brief an Olga.
Wenn ich die Augen schließe, stehst Du vor mir, und wenn ich die Hände an die Ohren presse und alle anderen Geräusche bleiben fern von mir, dann höre ich Deine Stimme … Wie schön bist Du, Olitschka …
In dieser Nacht setzte Peter Hesslich über den Donez. Er bediente sich dazu eines alten Holzkahns, den er in einer Scheune gefunden und zusammen mit Dallmann geflickt hatte. Zwei Löcher waren auszubessern und ein Ruderblatt zu ersetzen. Bei Einbruch der Dunkelheit schleiften sie den Kahn zum Fluß und ließen ihn zu Wasser. Er schwamm, die Lecks waren dicht.
»Laß mich mitkommen!« sagte Dallmann zum wiederholten Male. »Vier Augen sehen mehr als zwei, Peter!«
»Aber allein bin ich beweglicher. Das weißt du doch!«
»Was willst du eigentlich da drüben?« Dallmann reichte dem bereits im Kahn sitzenden Hesslich die Ruder. »Ich sage dir, du machst einen verdammten Fehler! Wenn die nun die Ufer vermint haben! Da gehste hoch, für nichts und wieder nichts. Heldentod aus Blödheit! Peter, laß die Mädchen auf unsere Seite kommen – da kriegen wir sie doch auch! Und sicherer. Hier kennen wir jetzt jedes Loch, jeden Erdhöcker. Aber ich weiß, was du willst! Du willst ihnen zeigen: Paßt auf! Was ihr könnt, können wir auch! Hier ist jemand, der auch mitten in die Stirn treffen kann.«
»Genau.« Hesslich senkte die Ruder lautlos ins Wasser. »Ich will ihre Sicherheit ankratzen. Sie sollen spüren, daß auch sie Nerven haben …«
Er winkte Dallmann zu, lachte lautlos und stieß sich dann vom Ufer ab. Mit leisem Plätschern glitt der Kahn in den Fluß. Das Rauschen der Wellen und der warme Nachtwind verschluckten das Geräusch.
Dallmann lag im Ufergras und starrte Hesslich nach. Er trieb etwas ab, ruderte dann kräftig gegen den Strom und erreichte, nur mehr schattenhaft erkennbar, das sowjetische Ufer unterhalb einer Weidengruppe.
»Hals- und Beinbruch!« sagte Dallmann leise und ging zurück zu den Ruinen des Bauernhauses, in denen sie seit vier Tagen wohnten. Er holte ein leichtes MG aus einer Holzkiste, packte einen Kasten mit gegürteter Munition und kehrte zum Donez zurück. Wenn es Schwierigkeiten gab und Peter sich zurückziehen mußte, wollte er ihm Feuerschutz geben.
Dallmann baute das MG am Ufer auf, legte sich daneben und wartete. Es war eine laute Nacht, in den flachen Ufertümpeln quakten die Frösche. Nachtvögel, deren Namen Dallmann nicht kannte, schrien durch die Dunkelheit.
Welch ein Krieg, dachte er einmal. Das Land wird zerstört, die Menschen verbluten – aber trotzdem gibt es noch Frösche, die quaken, und es flattern Vögel durch die Luft, die sonst den Granaten gehört.
Ohne es zu merken, schlief er neben seinem MG ein. In seinem Gehirn verwandelte sich das Quaken der Frösche in herrliche Musik. Uwe Dallmann träumte, er säße in einem Sinfoniekonzert, und zum erstenmal langweilte er sich nicht. So schön war die Musik.
Peter Hesslich hatte den ersten Stall und den ersten Garten erreicht, ohne auf eine Mine zu treten oder einem sowjetischen Posten begegnet zu sein.
Nach der Ankunft auf dem sowjetischen Ufer hatte er sich zunächst einmal ein paar Minuten reglos ins Gras gelegt und in die Nacht gelauscht. Den Kahn hatte er mit einem Hanfstrick an einer alten Wurzel, die aus der Uferböschung ragte, festgebunden. Sollte ihn jemand beobachtet haben, so mußte jetzt der Angriff erfolgen. Die uralte Taktik, den Gegner in Sicherheit zu wiegen, um dann unverhofft zuzuschlagen, betrachtete er als lächerlich. Ihn überraschte nichts und niemand. Wenn Hesslich mit seinem Scharfschützengewehr unterwegs war, schärften sich seine Sinne. Er witterte wie ein Tier, das alles hört und alles riecht und alles sieht, was sich in seiner Umgebung aufhält.
Er preßte sich flach auf den sandigen Boden, das Gewehr neben sich, den Lauf geschützt in der Armbeuge. Er hatte nur das Gewehr, zwei Taschen voll Munitionsrahmen und ein Taschenmesser mit herausspringender Klinge mitgenommen. Sonst nichts. Alles, was klappern konnte – das Seitengewehr, die Gasmaske, die Feldflasche, der Spaten – alles, was ihn beim Anschleichen behinderte, war zurückgeblieben. Auch auf den Stahlhelm hatte er verzichtet. Seine Haare bedeckte eine selbstgestrickte dunkelgraue
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