Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
sah Hesslich fragend an. »Du ballerst sofort los, nicht wahr? Hast die Süße im Fadenkreuz – und Finger durch! Peter, du bist ein eiskalter Hund, nicht wahr?«
    »Als ich meinen ersten Menschen erschoß, habe ich geheult.«
    »Ich habe gekotzt, bis mir der Magen im Gaumen hing …« Dallmann drückte sein Gesicht in das warme hohe Gras. »Es war ein miserabler Schuß. Dem hat's das Kinn weggerissen.«
    »Aber da warst du schon Scharfschütze …«
    »Ja.« Dallmann drehte sich wieder auf den Rücken. »Wenn sie alle schießen, ist das was anderes. Bei einem Angriff, beim Gegensturm, beim Stoßtrupp – da mußte man schießen, um zu überleben. Und dabei bin ich aufgefallen. Dann kam der erste Lehrgang. Aber 'ne Scheibe ist ja kein lebendiger Mensch. Und dann liegt man da und wartet und weiß genau: Wenn jetzt ein Iwan kommt, machst du dich noch kleiner, noch flacher, noch unsichtbarer, und aus dem Unsichtbaren heraus knipst du ihn ab! Eigentlich ist das doch Mord …«
    »Der Krieg ist ein einziges Morden …«
    »Und wennste das laut sagst, hängen se dich auf! Was soll man also machen? Mitmorden oder sich aufhängen lassen? Überleben oder am Ast baumeln? Peter«, Dallmann hob kurz den Kopf und sah Hesslich an, »du willst doch leben, was? Wieder zu Hause sein, 'nen Beruf haben, Geld verdienen, ein Haus bauen mit 'nem Garten drumherum, eine Frau und Kinder, an die See fahren im Urlaub und mal faul im Sand liegen, oder auch ins Gebirge … Mensch, das Leben hat so viele schöne Seiten! Daran denke ich, weißt du, wenn ich jetzt einen Kopf im Visier habe und gleich den Finger krumm mache. Ich denke an das Leben, wenn ich töte. Verrückt, was? Ich denke: Uwe, du mußt hier raus. Du mußt Rußland überleben! Und du kannst es nur überleben, wenn du'n Finger krumm machst – so wie die da drüben auch nur überleben, wenn sie den Finger krumm machen. Es kommt nur darauf an, wer zuerst – das ist diese beschissene Kriegspielerei! Aber du bist da anders, was? Du könntest jetzt, wenn so'n Mädchen drüben am Ufer erscheint, ruhig anlegen, zielen und abdrücken. Du könntest das, oder?!«
    Peter Hesslich winkelte das rechte Knie an und hielt die Augen geschlossen. »Ich weiß es nicht«, sagte er langsam. »Vielleicht würde ich warten, bis sie das Gewehr hochreißt. Dann ist es Notwehr. Aber da kann es schon zu spät sein. Bei einem sibirischen Scharfschützen würde ich nicht warten. Aber das ist ja die Hundsgemeinheit. Die setzen Mädchen dazu ein, weil sie genau wissen, daß eine Sekunde Zögern den Tod bedeutet …«
    Am gegenüberliegenden Ufer, hinter einer Sanddüne und einem Weidengebüsch, lagen Stella Antonowna, Marianka Stepanowna und Lida Iljanowna. Während drei Gruppen der Kompanie in den Gärten arbeiteten, sicherten sie den Fluß ab. Auch Miranski hatte sich ein Gärtchen zugelegt und beackerte ihn gemeinsam mit seiner Geliebten Darja Allanowna. Der frühere Stall war sogar noch leidlich bewohnbar und nur am Dach beschädigt. Ein großer Strohhaufen lag in der Ecke vor den leeren Boxen, in denen einmal die Schweine gegrunzt hatten, und wenn es Darja von der Gartenarbeit zu heiß wurde, zog sie sich manchmal aus, sprang nackt im Stall herum und benahm sich wie ein rothaariger Kobold, der dem alten Erdgeist noch einmal auf die Sprünge helfen will.
    Foma Igorewitsch fackelte dann nicht lange und drückte das glatthäutige Luderchen ins Stroh. Noch geht's, dachte er jedesmal zufrieden mit sich selbst. Wer weiß, wie lange noch! Wer kann ahnen, wann Darjas Glut erloschen ist? Ist mir sowieso ein Rätsel, daß sie es mit mir macht. Ich bin nicht groß und kräftig, mit meinen dreiundvierzig Jahren könnte ich ihr Väterchen sein, im ehelichen Bett bin ich nie zu Höchstleistungen angespornt worden, und jetzt schufte ich wie ein Marathonläufer. Was also ist an mir dran? Man nutze also die Stunde.
    Nicht denken, Foma Igorewitsch!
    Eines Tages, ganz plötzlich, wird der Krieg wieder aufwachen. Dann wird man all den verpaßten Gelegenheiten nachtrauern.
    »Es sind zwei«, sagte Stella am Donezufer und kaute an einem grünen Weidenzweig. »Sie liegen ungünstig …«
    »Der eine hat schöne breite Schultern und dunkle Haare auf der Brust!« Marianka lachte leise und streichelte ihr Gewehr. »So einen sollte man gefangennehmen und bei uns verstecken! Richtig füttern sollte man ihn, wie einen Eber … ihn mästen, bis die Muskeln die Haut sprengen! Mit Eiern, Fleisch, Sahne …« Sie schnalzte mit der Zunge

Weitere Kostenlose Bücher