Frauenbataillon
Gesicht gespuckt und ihn beschimpft. Plötzerenke verstand ihre Worte nicht, aber wenn man angespuckt wird, empfindet man dies nicht als einen Ausdruck von Sympathie, so viel ist sicher.
»Wir gewöhnen uns schon aneinander«, sagte er und lachte zufrieden. »War doch schön beim letzten Mal, nicht? Und es wird immer schöner, garantiert …«
Er knüpfte aus einem langen Seil eine Schlinge, legte sie Schanna um den Hals und führte sie hinters Haus wie einen Hund, der Gassi gehen soll. Und genau darum ging es.
»Genier dich nicht«, sagte Plötzerenke und drehte sich höflich zur Seite. »Das ist menschlich, und alles, was menschlich ist, ist normal! Hock dich hin! Ich hab jetzt fast vier Jahre vom Donnerbalken geschissen. Geht ganz gut, mußt nur weit genug die Beine krumm machen und den Hintern wegstrecken. Nun mach schon, Kleine! Bei mir hämmert's schon in der Hose …«
Schanna fügte sich. Wenn sie sich nicht selbst beschmutzen wollte, blieb ihr keine andere Wahl. Plötzerenke ließ ihr Zeit. Sie durfte sich in einem Wassertrog waschen, und als sie sich im Spiegel des Wassers betrachtete, empfand sie Ekel vor sich selbst. Bei alledem blieb die Schlinge immer um ihren Hals. Dreimal versuchte sie, das Seil abzustreifen, aber Plötzerenke merkte es jedesmal, zog die Schlinge enger und sagte gemütlich: »Mädchen, laß den Blödsinn sein! Wo willste denn hin? Du kommst doch keine fünf Meter weit …«
Nach solchen Ausflügen lag Schanna dann wieder mit gefesselten Armen im Stroh und ertrug mit zugekniffenen Augen den schnaufenden Plötzerenke. Sie biß sich die Lippen blutig, aber sie schrie nicht und lag unter ihm wie ein Stück Brett. Plötzerenke kümmerte ihre Passivität wenig. Er genoß es, ihren jungen Körper zu besitzen, und als er wieder ging, ließ er eine ganze Tafel Schokolade bei ihr zurück. Und Schanna aß die Schokolade. Mit ihren verschnürten Händen konnte sie die Tafel gerade greifen und an den Mund führen. Bis zu den Fußfesseln kam sie bei aller Gelenkigkeit nicht, so sehr sie sich auch wand und streckte. Ihre einzige Hoffnung blieb, mit den Zähnen seine Kehle zu erreichen, aber nach dem Biß in seine Halsbeuge war Plötzerenke vorsichtig geworden und wich ihr rechtzeitig aus. Wenn ihr Kopf vorschnellte, gab er ihr eine Ohrfeige.
»Einmal und nicht wieder, du wildes Aas!« sagte er selbstzufrieden. »Macht ihr das alle so in Sibirien?«
Nun war es Nacht. Plötzerenke war gekommen, hatte ein Kochgeschirr voll Bohnensuppe und ein Stück Rosinenkuchen mitgebracht, das Unteroffizier Senkler ihm von seinem Heimatpaket abgegeben hatte. Drei Säcke voller Feldpost und Päckchen waren heute eingetroffen. Überall saßen nun die Landser in ihren Unterständen, lasen die Briefe, zeigten die Fotos herum, aßen Mutters Gebäck und hatten vor Heimweh blanke Augen.
Die Heimat. Es geht ihnen gut. Sie warten alle auf uns – auf den Urlaub, auf die Rückkehr, auf den Frieden.
Draußen am Donez schlichen die Scharfschützinnen an Land.
Plötzerenke hatte keine Ahnung, daß um ihn herum der Tod durch das Steppengras kroch. Er deckte den Tisch. Er hatte einen stärkeren Batteriescheinwerfer mitgebracht, baute ihn in Stroh ein, damit er ein weicheres Licht gab, zog dann seine Uniformjacke aus und setzte sich in Unterhemd und Hose zu Schanna. Sie sah ihn mit halb geschlossenen Augen an und überlegte, wie man ihn bezwingen könne. Was nach dem Essen folgen würde, wußte sie, und es würgte ihr in der Kehle, wenn sie daran dachte. Gegenwehr war unmöglich …
Aber Plötzerenke umsorgte Schanna auch. Er hatte ihre Wunde neu verbunden, gleich am frühen Morgen, nachdem er sie in dem niedergebrannten Haus versteckt hatte. Galina Ruslanowna hatte den Schußkanal so gut es ging gesäubert, aber ein paar Stoffreste mußten in der Wunde geblieben sein. Sie begann sich zu entzünden, schwoll an, das Fleisch verfärbte sich rot, glänzte und drohte zu eitern. Trotzdem hatte sich die Bajda heftig geweigert, Schanna ins Feldlazarett zu schicken, wo man Mittel und Medikamente besaß, mit denen sich eine Wundinfektion aufhalten ließ.
»Es gibt bei uns keine verwundete Schanna Iwanowna!« sagte sie heftig. »Oder hat einer von uns gesehen und gehört, daß Schanna jemals mit einem Deutschen zusammengetroffen ist, der diese Begegnung überlebt hat?! Gibt es in unserem Kreis eine Schanna, die in deutscher Gefangenschaft war und von den Faschisten großherzig freigelassen wurde, he?! Wer sollte sie also
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