Frauenbataillon
mit freiem Schußfeld bis zum Fluß. Sollte es den Sowjets je einfallen, hier einmal zu stürmen, so würden sie in konzentriertes Feuer laufen.
Die Trägheit des Krieges, die seit drei Monaten herrschte, hatte auch die Maschinengewehrabteilung voll erfaßt. Nachdem man die Stellung gut ausgebaut hatte, begann die große Sorglosigkeit. Sie hielt auch an, als hier und da von den Überfällen der gegenüberliegenden Fraueneinheit die Rede war, von den blitzsauberen Kopfschüssen, die sogar das OKH beschäftigten. Auch die Zuteilung von zwei Scharfschützen aus der Spezialschule von Posen änderte nichts daran, daß allgemein Schläfrigkeit vorherrschte und sich die Ansicht breit machte: Der Iwan hat sich müde gelaufen! Stalingrad hat ihn eben doch ausgeblutet. Und dann der Vormarsch durch die Don-Steppe, die Kaukasusoffensive, die Eroberung von Rostow und Krasnodar, die Kuban-Schlacht, so was hält auch ein Russe nicht aus, und wenn er dreimal Sibirien im Rücken hat!
Das war ein Landserirrtum, dessen tödliche Aufklärung seit Wochen in aller Stille vorbereitet wurde.
Feldwebel Hermann Busch stellte nur einen Posten aus, und der legte sich außerhalb des Gutes in eine mit Stroh gepolsterte Mulde und pennte friedlich ein. Ein Russe, der angreift, hat immer Artillerieunterstützung und kommt im Schutz von Panzern. Meistens läuft er hinter der ersten Panzerwelle her. Allein, ohne Feuerschutz, kommt er nicht. Davon war man inzwischen überzeugt. Die Zeiten, in denen Kosakenschwadronen mit gefällter Lanze und Breitsäbel schwingend herangaloppierten und sich einen Dreck um Maschinengewehre und Granatwerfer kümmerten, waren vorbei. Vor Stalingrad und in der Don-Steppe hatte es jene heldenhafte Todesritte der Kosaken gegen deutsche Tiger-Panzer noch gegeben.
Jetzt schonte auch der Russe seine Soldaten – und auf dem Ruhekissen dieser Überzeugung schlief jetzt auch der Posten, obwohl er damit eins der schlimmsten Vergehen beging, die einem Soldaten passieren können. Aber hier, am Donez, erschlafft durch drei Monate Ruhe und Sonnenschein, der Anblick einer blühenden Steppe und müßiges Dahindösen, wurde vieles verziehen. Die Kompaniechefs führten sogar den Formaldienst wieder ein: Griffe kloppen, Grüßen, Marschieren, Putz- und Flickstunde, weltanschaulicher Unterricht.
Originalton Hauptfeldwebel Pflaume: »Schütze Hansemann! Was antworten Sie, wenn der Führer Sie fragt: Gefällt es Ihnen in der Wehrmacht?«
Hansemann, etwas zögernd: »Ich sage nichts. Ich denke nach …«
»Was tun Sie?« brüllte Pflaume.
»Wir haben gelernt: Ein deutscher Soldat denkt erst nach, bevor er antwortet.«
»Haben Sie ein Glück, daß der Führer sich nicht mit Flaschen unterhält! Natürlich antworten Sie: Ich bin stolz darauf, Soldat zu sein! Wiederholen Sie, Hansemann!«
»Ich bin stolz darauf, Soldat zu sein …«
»Ein Lied!« Hauptfeldwebel Pflaume hob drei Finger: Nummer 3 in der Kompanieliederordnung.
Es ist so schön, Soldat zu sein, Rooooosemariiiiieee …
Am Donez war in diesen Tagen eben alles anders: Nur der Tod änderte sich nicht.
Die Gruppe von Stella Antonowna umringte erstaunt das Postenloch und starrte auf den selig schlafenden Deutschen. Er lag auf dem Rücken, hatte den Mund halb offen und schnarchte leise mit pfeifenden Endtönen.
Stella hob den Daumen. Nicht schießen! Die anderen im Haus werden sonst geweckt. Sie zeigte auf Tamara Fillipowna, ein Mädchen aus dem Ural. Tamara nickte, griff in den Gürtel und rutschte vorsichtig in die Kuhle.
Der Stich in die Kehle kam blitzschnell und saß perfekt. Nur ein dumpfes Röcheln erklang und ein Blutstrahl spritzte hoch. Der Gefreite Wilmsen spürte nicht, daß er starb. Kein schlafendes Gehirn reagiert so schnell.
Feldwebel Busch mit seiner Gruppe wurde ebenfalls im Schlaf überrascht – im Zentralraum des Gutes, wo sie nebeneinander auf Stroh und Decken lagen. Stella Antonowna und ihre Mädchen glitten lautlos in das Gebäude und blieben im Halbschatten stehen. Die Petroleumlampe, die auf einem Tisch stand, blakte etwas. Sie war heruntergeschraubt, aber ihr schwacher Lichtschein war es gewesen, der Stella aufgefallen war.
Es kam zu keinem Kampf. Was hier geschah war eine Massenhinrichtung. Vor den sechs Mädchen lagen neun schlafende Männer. Unter ihnen befand sich ein weiterer Scharfschütze, der in Posen ausgebildet worden war – der Feldwebel Theodor Krahneburg. Am Nachmittag hatte er sich noch mit Peter Hesslich über die Frau
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