Frauenbataillon
verwundet haben, na? Wo ist hier jemand, der behauptet, Schanna sei verletzt?!«
Auch Galina Ruslanowna schwieg, obgleich sie als Ärztin hier hätte Protest einlegen müssen. Aber sie kannte den Ehrbegriff der Frauenabteilungen. Ihre erste Arztstelle war in einem Lager gewesen, wo die deutschen Kriegsgefangenen nackt an ihr vorbeiziehen mußten, während sie mit gleichbleibender, ruhiger Stimme: »Arbeitsfähig! Arbeitsfähig!« sagte. Für viele war das das Todesurteil – sie brachen bei den Holzfällerbrigaden und im Steinbruch zusammen. Galina war froh, als man sie versetzte. Sie betreute daraufhin eine Ausbildungskompanie von Infanteristinnen und lernte dort zum erstenmal den Ehrenkodex der Frauenbataillone kennen: Besser sein als die Männer! Tapferer und mutiger, zäher und wendiger … und klaglos sterben! Nichts gilt mehr in eurem Leben – nur noch die Heimat, das Vaterland!
So kam Galina vorbereitet zu den Scharfschützinnen an die Front. Hier bei Soja Valentinowna war vieles noch schärfer, noch fanatischer, aber auch, gerade im Angesicht des Todes, menschlicher. So übersah die Bajda, wenn auch nicht ohne persönlichen Grund, die Liebschaften ihrer Mädchen mit Offizieren in der Etappe.
Nur wenn es um die Disziplin und um die Ehre der Kämpferinnen ging, kannte die Bajda keine Kompromisse. Für Schanna Iwanowna gab es nur eine Möglichkeit, wieder zum vollwertigen Menschen zu werden: Zehn Treffer in deutsche Stirnen … Die Verwundung kümmerte Soja Valentinowna überhaupt nicht. »Was hat sie denn?« fragte sie einmal die Opalinskaja. »Hat sie sich an einer Mauerecke aufgeritzt? Warum wird darüber soviel Geschrei veranstaltet?!«
Plötzerenke hatte beim ersten Verbinden sofort erkannt, daß die Wunde nicht gut aussah. Jetzt hatte er neben Bohnensuppe und Rosinenkuchen auch eine Streudose Sulfonamidpulver vom Kompaniesanitäter mitgebracht.
»Wofür?« hatte der Obergefreite gefragt. Puder gegen Infektionen war knapp. Die Bataillonsapotheke gab es nur gegen genau geprüften Anforderungsschein ab, den – im Bereich der 4. Kompanie – Unterarzt Helge Ursbach unterzeichnen mußte.
»Wofür?!« hatte Plötzerenke gebellt. »Bestimmt nicht für Schweißfüße!«
»Da hilft bei dir auch nur abhacken …«
»Laß gut sein, ich brauch's für'n Tripper!«
»Mit Puder einstäuben? Sind wir im Puff! Raus mit der Flöte, du bekommst 'ne Spritze …«
Plötzerenke bekam die Dose schließlich doch. Ob der Puder helfen würde, wußte er nicht. Aber da es hieß, Sulfonamide seien hilfreich gegen alle Infektionen, konnte ein Versuch an Schannas Schulter nicht schaden.
»Komm her, meine Süße, und guck mich nicht an, als ob du mich auffressen wolltest«, sagte Plötzerenke und streifte Schannas Bluse ab. Er widerstand der Versuchung, ihre harten, jungen Brüste anzufassen, legte Verbandszeug und Puderbüchse neben sich und lächelte Schanna zu. »Ich will dir doch bloß helfen, Mädchen. Sieht mies aus, deine Wunde. Muß doch weh tun, was? Schade, daß wir uns nicht verstehen … Du nix ponnimei germanski, was?« Er hob die Büchse hoch und hielt sie Schanna vor die Nase. »Das ist Puder, Wundpuder, verstehste?«
»Pudra …«, sagte Schanna zögernd. »Pudrenitsa …?«
»Jawoll!« schrie Plötzerenke und klatschte vor Freude in die Hände. »Das isses! Pudra! Gut für Wunda!« Er tippte vorsichtig auf ihre verletzte Schulter.
»Rana …«, sagte Schanna.
»Vor mir aus, auch Rana. Gegen Infektiona …«
Schanna nickte und betrachtete Plötzerenke verblüfft. »Sarasa … Lichoradka …« (Wundfieber)
»Das geht ja wunderbar, Mädchen! Was du auch sagst … recht haste! Ich kriege dich schon wieder hin, meine Kleine! Deine samsena wird in die Knie gehen …«
»Sarasa …« Sie hielt still, als Plötzerenke den Verband abwickelte. Die Wunde sah häßlich aus, ihre Ränder begannen aufzutreiben. Schanna drehte den Kopf und starrte die Verletzung an. Seit Tagen stach und klopfte es in ihrer Schulter.
»Gut!« hatte Soja Valentinowna gesagt. »Das erinnert dich daran, daß du zehn Deutsche zu töten hast!«
»Und wenn ich Fieber bekomme?« hatte Schanna gefragt.
»Na und?!« Die Bajda hatte rauh gelacht. »Wir schießen selbst ohne Augen noch, weil wir den Feind riechen …«
Was sollte sie darauf noch erwidern?
Während Plötzerenke ihre Wunde einpuderte und neu verband, kam er ihr mehrmals so nahe, daß sie die Zähne hätte in seine Kehle schlagen können, wenn sie nur mit dem Kopf
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