Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Frauen zu Wort meldeten. Metaphorisch war da die Rede von «Märzveilchen», die nur schüchtern zum Vorschein kommen (Kathinka Zitz), oder von «Wilden Rosen … in der Freiheit wilder Pracht» (Louise Aston) und immer wieder vom «Lenz, der befreit» oder «Lenz muss es werden – werden gar bald» (Louise Otto). Die Gedichtsammlung
Lieder eines deutschen Mädchens
, 1847 erschienen, hat Louise Otto im Vormärz als «Lerche des Völkerfrühlings» bekannt gemacht. Als politische Aktivistin über die Grenzen Sachsens hinaus aber profilierte sie sich erst mit der
Adresse eines Mädchens
vom 20. Mai 1848, einer Eingabe an die in den Märzunruhen berufene liberale Regierung Sachsens und die von ihr eingesetzte erste Arbeiterkommission. Die Adresse wurde in der
Leipziger Arbeiter-Zeitung
veröffentlicht und in vielen Zeitungen nachgedruckt undmachte sie von nun an zu einer prominenten Mitstreiterin der sich formierenden Arbeiterbewegung, die sich 1848 in der «Arbeiterverbrüderung» einen ersten nationalen Dachverband schuf. Louise Otto mahnte «die Herren, die zur Prüfung und Regelung der Arbeitsverhältnisse berufen sind», unmissverständlich, wenn auch in der Form ausgesprochen vorsichtig – «nicht trotzdem, sondern weil ich ein Weib bin» –, «bei der großen Aufgabe unserer Zeit», bei der Organisation der Arbeit für die Männer, die der Frauen nicht zu vergessen. Gleichzeitig richtete sie ihren Appell «an die große Schar der Arbeiter», auch die Interessen ihrer «Frauen, Schwestern, Mütter und Töchter, so gut wie ihre eigenen» zu vertreten (
Leipziger Arbeiter-Zeitung
1848/4).
Louise Otto, in einem bildungsbürgerlichen Haus in Meißen (Sachsen) aufgewachsen, sehr früh alleinstehend, nur durch ein schmales Erbe versorgt, wusste, wovon sie sprach. Sie hatte die soziale Not der Arbeiterfamilien, insbesondere der Heimarbeiterinnen in der Textilindustrie, auf ihren Reisen ins Erzgebirge, nach Thüringen und Westfalen aus unmittelbarer Anschauung kennen gelernt (berühmt wurden z.B. ihr «Weberlied» oder das Gedicht «Klöpplerinnen»). Einer ihrer ersten Romane,
Schloß und Fabrik
, wurde wegen seines sozialkritischen «bedenklichen Inhalts» 1846 von der Zensurbehörde konfisziert. Als «rote Demokratin» (Ernst Bloch), die ihr soziales und politisches Engagement für die Arbeiter von Anbeginn mit der Frauenfrage verband, wird sie deshalb auch in der Geschichte der Arbeiterbewegung verehrt. Mit der Herausgabe einer
Frauen-Zeitung
unter dem Motto «Dem Reich’ der Freiheit werb’ ich Bürgerinnen» im April 1849, die eine politische Mobilisierung in Gang setzte, wurde sie zur Wortführerin oder auch «Mutter» der ersten Frauenbewegung in Deutschland.
Die
Frauen-Zeitung
als Sprachrohr einer
ersten Frauenbewegung
Die ersten beiden Jahrgänge der
Frauen-Zeitung
von Louise Otto, die vom 21. April 1849 bis zu ihrem Verbot 1850 wöchentlich erschien, dokumentieren mit ihren politischen Kommentaren, Berichten, politischen Essays und Aufrufen das Entstehen einer ersten sozialen und politischen Bewegung von Frauen, die gleichzeitig Teil der demokratischen Bewegung war. Denn ihr erstes Ziel war Freiheit, Selbstbestimmung und ein einiges Deutschland. Erst im Verlauf der politischen Ereignisse erkannten sie die Notwendigkeit, sich selbst als Frauen zu organisieren. Die zahlreichen, zum Teil nur mit einem Vornamen unterschriebenen Zuschriften auch aus entfernteren Regionen wie Ostpreußen, Oberschlesien oder Schleswig und die im sog.
Blick in die Runde
übermittelten Nachrichten sind ein Beleg für die vielfältigen Aktivitäten, Vereinsgründungen und weit verzweigten Netzwerke, die eine solche Bewegung kennzeichnen. Sie legen Zeugnis ab für die Bewusstwerdungsprozesse vieler Einzelner, die mit der Erkenntnis, dass ihr Schicksal kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches, geschlechtsspezifisches war, Mut zur Einmischung in die Verhältnisse schöpften. Die zumeist bürgerlichen Schreiberinnen waren sich einig, dass «die Erziehung», vor allem «die Redensart von der weiblichen Bestimmung» schuld daran sei, dass die Frauen «nur hinter verschlossenen Türen von der Freiheit flüstern» (
Frauen-Zeitung
1850/2).
Hatte man in der Zeit des
Hambacher Festes
1832 die demonstrative Beteiligung «der deutschen Frauen und Jungfrauen» noch als Dekor interpretieren können – «Kommet und schmücket die Versammlung durch eure Gegenwart»! –, so erschöpfte sich ihre Teilnahme in den Kämpfen der
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