Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
zumindest ökonomische Unabhängigkeit voraus. Das zeigt auch der Fall der
Louise Aston
(1814–1871), der deutschen George Sand, deren scharfe Ehekritik und freies, selbstbestimmtes Liebesleben im Preußen des Vormärz nicht nur zu einem «öffentlichen Ärgernis», sondern zu einem politischen Skandal aufgebauscht wurde und zu ihrer Ausweisung sowie für den Rest ihres Lebens zu Verfolgung undVertreibung führte. Warum hierbei Privates zum Politikum wurde, stellte sie in ihrer Rechtfertigungsschrift von 1846 klar: «Ich kann ein Institut (die Ehe) nicht billigen, das mit der Anmaßung auftritt, das freie Recht der Persönlichkeit zu heiligen, ihm eine unendliche Weihe zu erteilen, während nirgends gerade das Recht mehr mit Füßen getreten und im Innersten verletzt wird» (Goetzinger 1983, 61).
Frauenvereine
Die
Frauen-Zeitung
entwickelte sich von einem Sprachrohr für vereinzelte Schreiberinnen zu einem Medium der Mobilisierung und einem Organ für Fraueninteressen. Die wichtigste Information, die wir dieser Quelle entnehmen können, betrifft die große Zahl von Vereinsgründungen, die um 1848 überall im Land, in den größeren Städten des Deutschen Bundes und darüber hinaus zur Organisation und Durchsetzung frauenspezifischer Anliegen entstanden. «Assoziation für alle» war das Zauberwort, das nun auch die Frauen beflügelte und ihre Interessen bündelte. Gewiss hatte es auch schon vor dem «März» Frauenvereine in Deutschland gegeben, insbesondere in den Befreiungskriegen gegen Napoleon hatten sich aus patriotischer Gesinnung Lazarett- und Wohltätigkeitsvereine von Frauen gebildet. Ihre Aktivitäten aber verblieben im Muster tradierter Geschlechterrollen. Neu an den Vereinigungen um 1848 waren ihre politische Zielsetzung und ihr demokratischer Anspruch, auch wenn dieser mehr oder weniger deutlich artikuliert wurde.
Ein Sammelbecken für die weibliche politische Opposition waren die
Demokratischen Frauenvereine
, meist mit dem Zusatz
zur Unterstützung hilfsbedürftiger Familien
. Auf den ersten Blick wirkten sie wie traditionelle Wohltätigkeitsvereine und nutzten dies mit zunehmender Behinderung auch als Tarnung. Sie nahmen jedoch mit ihrer praktischen Hilfe eindeutig Partei für die Aufständischen, die «Freiheitskämpfer», später für die politisch Verfolgten und Flüchtlinge sowie deren Familien. Sie organisierten ihre Hilfe durch Vereinsbeiträge und Spenden, die durch öffentliche Veranstaltungen wie Konzerte, Bazare oderBankette aufgebracht wurden, und unterlagen mit dem Erstarken der Reaktion zunehmend Repressalien, schließlich dem Verbot. Besonders rührig bei der Hilfe für politisch Verfolgte war zum Beispiel der
Mainzer Frauenverein Humania
, der auf dem Höhepunkt seiner Aktivitäten unter seiner Präsidentin
Kathinka Zitz-Halein
(1801–1877) 1700 Mitglieder zählte. Der
Wiener demokratische Frauenverein
, der nur wenige Monate, bis zur Restauration der Monarchie bereits im Oktober 1848, unter der Führung von
Karoline Perin
(1806–1888) agierte und großes Aufsehen und den üblichen konservativen Spott auf sich zog, definierte in seinen Statuten dreifache Aufgaben: 1. Politische Bildung, um das demokratische Prinzip in allen weiblichen Kreisen zu verbreiten; 2. soziale Gleichberechtigung der Frauen durch Gründung öffentlicher Grundschulen und höherer Bildungsanstalten und 3. Hilfe für die Opfer der Revolution (Hummel-Haasis 1982, 247f.). Ähnlich erging es dem
Berliner demokratischen Frauenverein
und seiner Vorsitzenden
Lucie Lenz
, über den und über die von Anbeginn mehr satirische Flugblätter, Häme und Karikaturen verbreitet wurden als Informationen – er wurde bereits im November 1848 wie alle anderen politischen Vereine verboten. Lucie Lenz aber war – dies zeigen späte Enthüllungen ihrer abenteuerlichen Lebensgeschichte (vgl. Paletschek 1998) – nicht nur eine demokratische Oppositionelle, sondern auch eine schillernde Person, Hochstaplerin und Spionin, die auch den staatstragenden Kreisen in Preußen zu Diensten war.
Grundsätzlich zeichneten sich die demokratischen Frauenvereine in Mannheim, Heidelberg, Konstanz und anderen Städten Badens oder in Chemnitz, Mittweida und Oederan in Sachsen – und diese Aufzählung ist so unvollständig wie die historischen Quellen – durch ihre demokratische Struktur und politische Zielsetzung aus. Betont wurde das Selbstvertretungsrecht und dass es sich um «Frauen aus dem Volke» handelte, schlichte Bürgerinnen,
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