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Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Titel: Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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1848er Revolution eben nicht mehr in der Zuschauerrolle oder in typisch weiblichen Fürsorge- und Hilfsdiensten. «Da ist es nicht getan mit Charpie-Zupfen, Verwundete pflegen, Kleidernähen und Kochen für das Heer», lesen wir in der
Frauen-Zeitung
vom 21. Juli 1849 über die aktive Beteiligung der Frauen im Volksaufstand in Ungarn. Immerwieder wird darüber berichtet, wie Frauen Hand anlegten, Barrikaden bauten, auch gelegentlich zu den Waffen griffen. Und doch waren die aktiven Kämpferinnen oder so prominente Freischärlerinnen wie Emma Herwegh, Amalie Struve oder Mathilde Franziska Anneke Ausnahmeerscheinungen, die besondere Aufmerksamkeit erlangten und doch gleichzeitig in vielfältigen Karikaturen und Kommentierungen denunziert, der Lächerlichkeit preisgegeben wurden. Solche Grenzüberschreitungen mussten offenbar unverzüglich geahndet werden, wie das exemplarisch harte Urteil über die Barrikadenkämpferin Pauline Wunderlich zeigte, die zu lebenslang Zuchthaus verurteilt wurde (
Frauen-Zeitung
1850/12). «Wir kämpfen mit anderen Waffen», betonten die Schreiberinnen denn auch und wussten, Überzeugungsarbeit war insbesondere auch unter den eigenen Geschlechtsgenossinnen zu leisten. Beklagt wurden der «Indifferentismus» und die «Bequemlichkeit» vieler Frauen sowie der «Kastengeist» der oberen Stände. Deutlich Partei ergriffen aber wurde für die «armen Arbeiterinnen», die Dienstboten, die Stickerinnen und Strickerinnen, die mühsam in Heimarbeit ihr Leben fristeten, die «Schneidermamselln», die trotz Einführung der Gewerbefreiheit (in Preußen 1810, in Sachsen erst 1861) nun von den Innungen vom selbständigen Betrieb eines Handwerks ausgeschlossen wurden.
    Frauen nutzten aber auch Widerstandsformen, deren politische Bedeutung nicht ohne Weiteres erkennbar war, weil sie dem Alltagsleben entstammten. Dazu gehörten Farben und Abzeichen, das Tragen von Trauerkleidern «um das Vaterland», rote Nelken oder rote Schals, symbolische Handlungen, die in der frühen Arbeiterbewegung zur Tradition wurden, wie das Schmücken von Gräbern der Freiheitskämpfer. Dass sich die politische Opposition in diesen Alltäglichkeiten eine Gegenöffentlichkeit schuf, die den Regierungen gefährlich erschien, wird an den scharfen Repressionen deutlich. Wiederholt wurden Frauen für das «Demonstrationsmachen» und für die Unterstützung der «Aufrührer» mit Gefängnis bestraft. Und schließlich wurde da von einem «Aufruf zum Frauenstreik» berichtet, der in mehreren Zeitungen abgedruckt wurde und an die List der Lysistrata erinnert. Württembergische Frauen forderten ihre Geschlechtsgenossinnenauf, nie einem «Söldner oder Fürstenknecht … die Hand am Altar zu reichen» oder Tanzfeste der Regierenden zu sabotieren (
Frauen-Zeitung
1849/6).
    Die Verweigerung der Ehe als Ausdruck politischen Bewusstseins erscheint wie ein hilfloser Akt, und doch wurden damit die existenziellen Unrechtserfahrungen der Frauen zur Sprache gebracht, die die durchweg patriarchale Geschlechterordnung in den unterschiedlichen Eherechtssystemen um die Mitte des 19. Jahrhunderts kennzeichnete – mit nur geringfügigen Unterschieden in den verschiedenen im Deutschen Bund geltenden Rechtsquellen, etwa dem Code civil, dem Preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR), den unterschiedlichen Regelungen des sog. Gemeinen Rechts oder in den verschiedenen Stadtrechten: Überall war die Rechtslage durch Bevormundung, Eigentumslosigkeit und persönliche Abhängigkeit der Ehefrau und Mutter gekennzeichnet, war sie rechtlos selbst im Verhältnis zu den eigenen Kindern. Wie schon in der Französischen Revolution stellte sich die Analogie zwischen Fürstenherrschaft und Ehejoch wie von selbst her. «Der Mann ist der Fürst des Weibes, der absolute Monarch … nicht einmal die Scheinrechte der konstitutionellen Phraseologie sind auf das Weib anwendbar», geißelte
Louise Dittmar
(1807–1884) in ihrer ebenfalls 1849 herausgegebenen Zeitschrift
Soziale Reform
die ehelichen Verhältnisse ihrer Zeit und thematisierte den engen Zusammenhang zwischen privater und politischer Gewalt. Ihre Zeitschrift konnte nur in vier Nummern erscheinen, offensichtlich war es zu früh für ihre feministische Radikalität. Doch sie sprach ein Grundübel an, das unzählige Lebensgeschichten dieser Zeit bestimmte.
    Daher setzte das Auftreten in der Öffentlichkeit bzw. die politische Mobilisierung Einzelner in der Regel erst die persönliche Befreiung aus privaten Zwängen,

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