Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Frauenrechtskonferenz 1853 in New York eine viel beachtete Rede, die von der polnischen Immigrantin und Frauenrechtlerin Ernestine Rose übersetzt wurde. – Die schwedische Schriftstellerin
Fredrika Bremer
(1801–1865) bereiste zwischen 1848 und 1851 die USA und schrieb anschließend ihren berühmten Roman
Hertha oder Geschichte einer Seele
, der die Frauenfrage in Schweden auf die politische Tagesordnung setzte und zum Namensgeber für die erste feministische Frauenorganisation in Schweden wurde. So sind die Korrespondenzen und persönlichen Kontakte zwischen Gleichgesinnten um die Jahrhundertmitte ein Beleg dafür, dass schon der frühe Feminismus als transnationale Bewegung zu kennzeichnen ist (vgl. Anderson 2001).
3. Die hohe Zeit der Frauenbewegungen
und ihrer Organisationen
In einem Sammelband mit dem Titel
The Woman Question in Europe
, herausgegeben von Theodore Stanton (1884), dem Sohn der Vorkämpferin der amerikanischen Frauenbewegung Elizabeth Cady Stanton, lesen wir eine treffende Beschreibung der Dynamik von Frauenbewegungen. Die irische Frauenrechtlerin Frances Power Cobbe vergleicht die verschiedenen ungleichzeitigen Höhepunkte und Flauten mit dem Bild der Wellen und Gezeiten und schrieb 1884 in der Einleitung: «… diese Bewegung hat ein ganzes Geschlecht aufgewühlt, sogar die Hälfte der Menschheit. Wie die einströmende Flut bewegt sie sich in verschiedenen Wellen, und jede einzelne gehorcht dem gleichen Gesetz und trägt ihr Teil dazu bei, die übrigen mitzureißen»(Stanton 1884, XVI, eigene Übs.). Die Metapher der ‹Welle› hat Eingang in die Historiographie der Frauenbewegung gefunden, weil sie anschaulich die immer wieder neuen Anfänge sowie ihre von den jeweiligen politischen Bedingungen abhängigen Erfolge und Rückschläge beschreibt und deutlich macht, dass nur eine gewaltige, sich vereinigende Strömung Schwungkraft genug hat, um jahrhundertealte Gewohnheiten, Privilegien und Vorurteile hinwegzuschwemmen. Im Angelsächsischen wird deshalb für die Zeit zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und den 1920er bzw. 1930er Jahren von «First Wave Feminism» und für die Frauenbewegung nach 1970 von «Second Wave» gesprochen, während im Deutschen die Bezeichnungen «alte» oder «historische» und «neue» Frauenbewegung üblich geworden sind. Damit stellt sich jedoch die Frage, wie lange eine Frauenbewegung «neu» bleibt, die selbst in die Jahre gekommen ist, oder noch grundsätzlicher, ob eine Bewegung überhaupt auf Dauer zu stellen ist.
Noch eine Besonderheit bei der Mobilisierung von Frauen im Vergleich zu anderen politischen, sozialen oder religiös motivierten Befreiungsbewegungen wird in der Einleitung dieses Sammelbandes deutlich. Indem Cobbe die gleichen Staatsbürgerrechte vorerst nur den Frauen zugestehen will, die durch die Gemeinsamkeit des kulturellen Erbes, der Herkunft, des Glaubens und der Interessen den Männern ihrer Nation verbunden sind, hingegen nicht den «Scharen von Immigranten» oder «Fremden anderer Rassen» (ebd.), offenbart sich eine bedenkliche Differenzierung und ein Grundkonflikt, der die Einigkeit in der Geschichte der Frauenbewegungen immer wieder in Frage stellte: z.B. die Spaltung in der amerikanischen Frauenbewegung, nachdem die Schwarzen, wohlgemerkt, nur die männlichen Schwarzen, nach dem Bürgerkrieg 1869 das Wahlrecht erlangt hatten, aber nicht die Frauen; oder die schier unüberwindlichen Klassengegensätze zwischen proletarischer und bürgerlicher Frauenbewegung, die in Deutschland an der Wende zum 20. Jahrhundert ein Zusammengehen verhinderten. Gerade weil Frauen «die Hälfte der Menschheit» sind, gehören sie doch gleichzeitig unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungenund Klassifizierungen an, die je nachdem ihre Identität bestimmen und politische Bedeutung gewinnen. Die Schwierigkeit, eine Bewegung unter Frauen auf der Grundlage ihres Geschlechts zu initiieren, besteht somit darin, dass sie nicht unbedingt Angehörige einer gleichen Lebenslage, einer Klasse, Schicht, Glaubensrichtung oder gleicher nationaler bzw. ethnischer Herkunft sind, vielmehr mit denen, gegen die sie aufbegehren oder sich wehren, alltäglich, oft abhängig und intim zusammenleben oder «Schulter an Schulter» zusammenarbeiten. Das heißt aber, es muss vieles zusammenkommen, um Ungleichheit aufgrund von Geschlecht als Unrecht und die Zurücksetzung von Frauen als gesellschaftliches Problem und nicht nur als privates Geschick zu erkennen. In
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