Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
an «Frauenspersonen» wie Minderjährigen untersagt, Mitglied einespolitischen Vereins zu werden oder auch nur an Versammlungen teilzunehmen, die politische Gegenstände behandelten. Dies war ein Maulkorb für alle Frauen, sich politisch zu betätigen, und hat die Geschichte der deutschen Frauenbewegung über mehr als zwei Generationen bis zur Aufhebung dieser Vereinsgesetze im Jahr 1908 behindert und geprägt.
Dass es den Französinnen nicht besser erging, soll nicht unerwähnt bleiben. Die Frauen, die bereits im März 1848 eine erste feministische Tageszeitung
Die Stimme der Frauen (La Voix des femmes, journal socialiste et politique, organe des intérêts des toutes)
herausgaben, rekrutierten sich aus dem Kreis der Frühsozialistinnen. Es waren zum Teil die gleichen Personen, die sich Anfang der 1830er Jahre schon mit verschiedenen Frauenzeitschriften für die Freiheit der Frauen, ihre Rechte und ihre Arbeit engagiert hatten, z.B. Pauline Roland, Désirée Véret-Gay, Suzanne Voilquin, Eugénie Niboyet oder
Jeanne Deroin
(18051894). Um sie herum entstanden zahlreiche Frauenclubs und Initiativen für die Rechte der Frau, insbesondere drangen sie darauf, dass das Recht auf Arbeit, das durch die Einrichtung von Nationalwerkstätten für jedermann und damit zur Lösung der sozialen Frage garantiert sein sollte, auch für Frauen durchgesetzt würde. Sie richteten selbstverwaltete Kooperativen und Arbeitsvermittlungsbüros für Heimarbeiterinnen, Tagelöhnerinnen, Lehrerinnen, Krankenwärterinnen etc. ein und bildeten Unterstützungsfonds. Da die provisorische Regierung nach dem Sturz des Bürgerkönigs Louis-Philippe das allgemeine und gleiche Wahlrecht verkündet hatte, nahmen sie das Demokratieversprechen beim Wort und wollten genau wissen, was die Formulierung «alle Franzosen» oder «allgemeines Wahlrecht» meinte. Sie versuchten zunächst, George Sand als prominente Kandidatin zur Wahl in die Nationalversammlung im Juli 1848 aufzustellen. Als diese sich weigerte, das Anliegen gar lächerlich machte, hatte sich auch schon der Widerstand der konstituierenden Versammlung mobilisiert. Abgesehen von einigen sozialistischen Abgeordneten, bekräftigte das Männergremium nur, was es schon immer wusste: Der angemessene und legitime Platz der Frau war das Privatleben, nicht die Öffentlichkeit. Die Erfahrungenmit der Geschichte reichten aus, so behaupteten sie, um sie auch weiterhin von allen politischen Versammlungen auszuschließen (Scott 1996, 77 u. 64).
Nach der Schließung der Nationalwerkstätten und der blutigen Niederschlagung der sozialen Unruhen im Juli 1848 wurden unmittelbar und unerbittlich alle Frauenclubs verboten, ihre Mitglieder verfolgt und drangsaliert.
Dennoch wagte es Jeanne Deroin im April 1849, sich selbst zur Wahl in die Kandidatenliste der Demokratischen Sozialisten einzutragen. Trotz permanenter Anfeindungen erreichte sie es, auf verschiedenen Wahlversammlungen die Tribüne zu betreten und leidenschaftlich für die Überzeugung zu streiten, dass es für Frauen und Mütter gerade wegen ihrer besonderen Aufgaben eine Pflicht und ein Recht sei, an der Gesetzgebung mitzuwirken. Ihre sozialistischen Genossen ermahnte sie: «Ihr wollt Männer der Zukunft sein, die ihr nicht seht, dass die gesetzliche Ungleichheit zwischen Mann und Frau alle anderen sozialen Ungleichheiten hervorbringt?» (zit. n. Scott 1996, 74) Bei dem kühnen und ehrgeizigen Versuch, wenigstens das Projekt der Nationalwerkstätten bzw. der selbstverwalteten Kooperativen durch einen Zusammenschluss aller Arbeitergenossenschaften in einer
Union der Arbeiter
zu retten, um Gleichberechtigung, materielle Sicherheit für alle Mitglieder und die Abschaffung der Lohnarbeit zu organisieren, wurde sie schließlich mit anderen Frauen und Männern vor Gericht gestellt. Die Anklage lautete auf Bildung einer geheimen politischen Vereinigung, Umsturzversuch und Verschwörung. Deroin wurde zu sechs Monaten Haft verurteilt, die männlichen Genossen zu sehr viel höheren Strafen. Selbst Gleichheit in der strafrechtlichen Verantwortung (Art. IX der Frauenrechtserklärung von Olympe de Gouges) wurde ihr nicht zugestanden. Deroin erkannte das «Männergericht» nicht an. Nach der Haft – Napoleon III. hatte inzwischen durch Staatsstreich die Zweite Republik liquidiert – emigrierte sie nach England.
Nachklang, Spuren und Verbindungslinien
Für wie gefährlich diese erste europaweite Frauenbewegung von den Staatsgewalten eingeschätzt wurde,
Weitere Kostenlose Bücher