Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
ist nicht zuletzt an den scharfen Repressionen abzulesen. «Die bewaffnete Macht wird sich doch unmöglich vor den Frauen fürchten», lästerten die Frauen zunächst (
Frauen-Zeitung
1850/13). Die Französinnen wussten sofort, was auf dem Spiel stand, als wieder einmal eine ihrer Versammlungen aufgelöst wurde, in der über das Scheidungsrecht debattiert wurde: «Ihr wollt nicht hören, weil ihr uns zu fürchten beginnt und es euch leichter fällt zu unterdrücken, als Gerechtigkeit zu üben. Unter eurem Hohngelächter zeigt sich der Despotismus» (Grubitzsch/Lagpacan 1980, 108). Tatsächlich wurde der Ausschluss der Frauen von politischer Teilhabe mit jedem Schritt auf dem Weg zur Etablierung einer bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Institutionen ausdrücklicher geregelt, nicht nur durch die Verweigerung des Stimmrechts und aller weiteren Bürgerrechte wie der Presse-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit. Die Vertreter des Bürgertums und der herrschenden Klasse bedienten sich insbesondere des Familienrechts, um ihre männlichen Privilegien gerade auch im Privaten zu legitimieren. Was der wegen seiner Klarheit und Modernität gepriesene französische Code civil als bürgerliche Geschlechterordnung vorgezeichnet hatte, die absolute Herrschaft des Familienpatriarchen über Frau und Kinder, die sog.
eheherrliche Gewalt
(«puissance maritale»), wurde in der Mitte des Jahrhunderts zur Leitlinie für die Reform auch des
Preußischen Allgemeinen Landrechts
wie auch für die Rechtsauslegung der verschiedenen Partikularrechte auf dem Gebiet des Deutschen Bundes. So wurden schon im Laufe der 1840er Jahre in Preußen nicht nur die Ehescheidung erschwert und die Eigentumsrechte der Ehefrauen eingeschränkt, nach 1850 entschied das Preußische Herrenhaus zur Hebung von Sitten und Moral, die angeblich allzu «frauenfreundlichen» Ansprüche der nicht ehelichen Mütter und ihrer Kinder von der «Unbescholtenheit» der Frau abhängig zu machen. Nun erst hatte sich ein bürgerlicher Patriarchalismus auch rechtsförmig etabliert, derbis über die Jahrhundertwende, in Deutschland über die Kodifikation des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
hinaus, die Eigentumsrechte der Ehefrau einschränkte, die Ehefrau in allen Angelegenheiten des ehelichen Lebens der Entscheidungsmacht des Ehemannes unterwarf, auch da, wo vorher in einzelnen Rechtskreisen noch Wohlwollen und der Schutzgedanke vorgeherrscht hatten.
Und dennoch, auch wenn die Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse unerfüllt blieben, stehen die Ereignisse um 1848 für den Anbruch einer neuen Zeit. Denn trotz des unmittelbaren Scheiterns der Revolution hatten sich von da an die politische Sprache, die Denkmöglichkeiten und die Erwartungen an eine neue politische Ordnung verändert. Was die Vorkämpferinnen der Frauenbewegung einmal gesagt, gefordert, erkannt und beklagt hatten, war in der Welt, wurde Teil einer Geschichte des Feminismus, die in anderen Zusammenhängen, zu anderen Zeiten neuen Sinn und Wirksamkeit entfalten konnte. Denn «die Freiheit ist unteilbar! Also, freie Männer dürfen keine Sklaven neben sich dulden …» (
Frauen-Zeitung
1849/1).
Dass die Geschichte der Frauenbewegungen in Europa auch anders hätte verlaufen können, lassen die schnellen Fortschritte der amerikanischen Frauenbewegung erahnen, die ebenfalls 1848 mit einem Gründungsakt begann. Am 14. Juli 1848 waren in Seneca Falls, einem unscheinbaren Ort im Bundesstaat New York, 200 Frauen und – immerhin – 40 Männer zusammengekommen. Sie hatten mehrere Tage debattiert und unterzeichneten schließlich ein von
Elizabeth Cady Stanton
(1815–1902) vorbereitetes Manifest, die
Declaration of Sentiments
, die die
Ansichten
, sollte heißen, die Rechtsansprüche und Unrechtserfahrungen, der amerikanischen Frauen zusammenfasste. Die Initiatorinnen waren Anhängerinnen der großen Reformbewegungen, der religiösen Erweckungsbewegungen und insbesondere der Antisklavereibewegung. Sie hatten sich 1840 als weibliche Delegierte auf dem internationalen Antisklavereikongress in London kennen gelernt. Weil auch dort Frauen kein Rederecht erhielten, verständigten sie sich darüber, wie notwendig die Abschaffungder «Sklaverei auch der Frauen» in ihrem eigenen Land, den USA, sei. So war erst wenige Monate vor der Versammlung in Seneca Falls im Staat New York nach jahrelangen Debatten ein Gesetz verabschiedet worden, das verheirateten Frauen die
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