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Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789

Titel: Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen sind die Chancen am größten, Selbstverständlichkeiten und Gewohnheiten im Verhältnis der Geschlechter als nicht ‹in Ordnung›, als Unrecht zu thematisieren und damit die als «natürlich» beschriebene Geschlechterordnung zu problematisieren. Aus den unterschiedlichen Bedingungen und Anlässen aber erklären sich die Ungleichzeitigkeiten und immer wieder neuen Ansätze und Schübe der Mobilisierung.
Übergänge und Neuanfänge
    In England war es nicht erst der in viele Sprachen übersetzte Bestseller
Die Hörigkeit der Frau
(1869) von John Stuart Mill, der zur «wahren Bibel» (Mary Beard 1946) der Feministinnen des 19. Jahrhunderts wurde und der frühen ersten Stimmrechtsbewegung in England prominente Unterstützung bot. Mill hatte die gemeinsame Autorschaft mit seiner Frau, Harriet Taylor Mill, an diesem Buch immer wieder betont ebenso wie ihre Mitwirkung und ihren entscheidenden Einfluss bei zahlreichen früheren Schriften, z.B. bei dem Klassiker der Nationalökonomie
Grundsätze der politischen Ökonomie
(zuerst 1848). Er war überhaupt der erste Parlamentarier, der als Abgeordneter des englischen Unterhauses in einer fulminanten Rede 1867 für das Wahlrecht der Frauen eintrat. Für Mill, den Utilitaristen und Philosophen, waren gleiche Bildung und gleiche politische Rechteund Freiheiten der Frauen nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch der «Zweckmäßigkeit», d.h. des gesamtwirtschaftlichen Nutzens, sowie eine «Quelle des wahren Glücks für beide Teile» (Mill/Taylor, zuerst 1869). Obwohl die Engländerinnen trotz der später als radikal verschrienen Suffragettenbewegung erst 1918 bzw. sogar erst 1928 das Stimmrecht erhielten, führten die Kampagnen in den 1870er Jahren doch wenigstens zur Verabschiedung der
Married Women’s Property Acts
(1870–1882), die die völlige Rechtlosigkeit und Eigentumslosigkeit verheirateter Frauen aufhoben und damit in einer liberalen, kapitalistischen Gesellschaft die wichtigste Voraussetzung für selbständiges Handeln und Beteiligung schufen.
    Frankreich erlebte einen neuen Aufschwung feministischer Aktivitäten nach dem Deutsch-Französischen Krieg, in der Konstitutionsphase der Dritten Republik in den 1870er Jahren. Schon 1868, zum Ende des Zweiten Kaiserreichs, als sich Napoleon III. gezwungen sah, Presse- und Versammlungsfreiheit zuzugestehen, war um die Frauenfrage eine Vielzahl von Initiativen, Konferenzen und Vereinigungen entstanden, die als Vehikel für republikanische Forderungen dienten. Léon Richer, Oppositioneller und Literat, einer der wichtigsten Förderer der Frauensache, gab 1869 die Zeitschrift
Le Droit des femmes
heraus, um die sich eine Gruppe von Frauen versammelte, darunter auch
Maria Deraismes
(1828–1894), Schriftstellerin, Freidenkerin und begabte Rednerin, die 1870 zusammen mit Richer
L’Association pour le Droit des femmes
gründete und damit die Basis für die Organisation der französischen Frauenbewegung schuf. Zu den Unterzeichnerinnen dieser Initiativen hatten auch
Louise Michel
(1830–1905) und
Paule Mink
(1839–1901) gehört, die wenig später wegen ihrer Beteiligung am Aufstand der
Pariser Commune
verurteilt und in die Verbannung geschickt wurden. Der Krieg und die Niederschlagung der
Commune
hatten die organisatorischen Anfänge nicht nur unterbrochen, sondern auch die Fronten zwischen Sozialistinnen und bürgerlichen Republikanerinnen klar gezeichnet. Der revolutionäre Schrecken, die Wirren und Gewalterfahrungen in diesem Bürgerkrieg aber haben die Frauenrechtlerinnen umso mehr zur Mäßigung ihrer Forderungenveranlasst. In der Parteinahme für den Aufbau der Dritten Republik galt es, sich vorerst als «republikanische Mutter» und Gefährtin zu bewähren, waren Bildung und die Reform des Privatrechts, des autoritär entmündigenden Code civil, die vorrangig verfolgten Ziele, bevor sie gleiche Rechte als Staatsbürgerinnen zu fordern wagten. Auf dem ersten Internationalen Frauenkongress für die Rechte der Frau, den die Französinnen 1878 in Paris veranstalteten, sollte
Hubertine Auclert
(1848–1914), zunächst Weggefährtin von Deraismes und Richer, dann radikale Außenseiterin, sogar daran gehindert werden, die Stimmrechtsfrage auf die Tagesordnung zu bringen, um die «Politik der kleinen Schritte» nicht zu gefährden. Auclert war diejenige, die den Begriff Feminismus – wie schon erwähnt (vgl. Einleitung) – in ihrer von 1881 bis 1891 herausgegebenen

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