Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Zeitschrift
La Citoyenne
populär gemacht hat. Insgesamt aber setzte sich die Frauenbewegung in Frankreich bis zum Ende der 1880er Jahre aus sehr kleinen Gruppen zusammen, bildeten Feministinnen eine verschwindende Minderheit, ehe die Frauenbewegung um die Jahrhundertwende zu einem Faktor des öffentlichen Lebens wurde (vgl. Klejman/Rochefort 1989).
Die Neuanfänge einer organisierten Frauenbewegung in Deutschland ähneln in mehrfacher Hinsicht dem französischen Verlauf. Auch hier setzte die ‹hohe Zeit› der ‹alten› Frauenbewegung erst zum Ende der 1880er Jahre ein. Der Deutsch-Französische Krieg bildete die gemeinsame Zeitenwende, mit der in der Orientierung an nationaler Politik auch die Chancen einer klassenübergreifenden Frauenpolitik begraben wurden. Dennoch wurden nach den Jahren der Reaktion, zwischen 1865 und 1890, mit der Gründung von Frauenvereinen, dem Aufbau von Netzwerken, Medien, Enqueten, Veröffentlichungen und Petitionen die politischen Zielsetzungen und Frontstellungen geklärt und auf der Grundlage des Prinzips der Selbsthilfe praktischpolitische Erfahrungen gesammelt. Margrit Twellmann schreibt in ihrer Analyse der Frauenbewegung jener Zeit: «Die Bedeutung dieses Wirkens darf nicht an den kärglichen Erfolgen gemessen werden; wichtig ist, dass diese notwendigen Forderungen durchdacht, formuliert und vertreten wurden gegenüberden eigenen Mitgliedern und der Öffentlichkeit. Die Organisationen der Frauenbewegung gewannen hierdurch inmitten des sich vollziehenden wirtschaftlichen und sozialen Umwandlungsprozesses die Bedeutung eines ‹geistigen Führungszentrums›, eines ordnenden planenden Mittelpunktes, der Sorge trug, daran zu erinnern, dass sich die ‹Frauenfrage› nicht in der ‹Brotfrage› erschöpfe, sondern als ‹Menschheitsfrage› alle Bereiche des menschlichen Lebens berührte» (Twellmann 1972, 223).
Die Keimzelle der feministischen Aktivitäten dieser Zeit war der
Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF)
, der 1865 auf Initiative ehemaliger 48erinnen, angeführt von
Louise Otto-Peters
und
Auguste Schmidt
(1833–1902), in Leipzig gegründet wurde. Seine vorrangigen Ziele waren «die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen» (Otto-Peters 1890, 10). Beteiligt waren auch einige «einsichtsvolle Männer», die als Ehrenmitglieder, jedoch ohne Stimmrecht aufgenommen wurden. Insofern vertrat der
ADF
von Anbeginn sehr bewusst und mit Zustimmung der Beteiligten das Prinzip der Selbsthilfe und Autonomie. Einer der Förderer betonte denn auch: «Der Frauentag darf doch nicht mit einer Inkonsequenz beginnen und von einem Mann eröffnet werden? Die Frauen müssen ihre Sache selbst führen, sonst ist sie von vornherein verloren»(ebd. 7). Die Gründung auf der Leipziger Frauenkonferenz – von der Presse auch als «Leipziger Frauenschlacht» bespöttelt – wird als die Geburtsstunde der organisierten Frauenbewegung in Deutschland verstanden. Ihr gesamtdeutscher Anspruch war vor der Reichsgründung ein kühnes Unterfangen. Doch die Einladung zur Gründungskonferenz war ausdrücklich an «die deutschen Frauen der verschiedensten Städte und Staaten» ergangen, denn – so Louise Otto-Peters beharrlich – «das ganze Deutschland soll es sein!» Mit diesem Ziel gingen die Frauen in der Folge sehr strategisch vor: Alle weiteren «Frauentage» wurden von da an alle zwei Jahre in unterschiedlichen Städten abgehalten und jeweils vor Ort von einem Mitglied oder einer Gesinnungsgenossin, Freundin oder Verwandten organisiert,um zugleich einen neuen Ortsverein zu gründen. Bald bildeten die Lokalvereine ein weit verzweigtes Band organisierter Fraueninteressen. Unterstützt durch die Herausgabe des Vereinsorgans
Neue Bahnen
(seit 1866 bis 1919), ging es zunächst zügig voran, doch die Widerstände waren groß, und die Stagnation insbesondere seit der Reichsgründung 1871 wurde offensichtlich.
Trennlinien
Fast gleichzeitig mit der Gründung des
ADF
1865 hatte
Adolf Lette
, der nationalliberale Abgeordnete des Preußischen Abgeordnetenhauses und Präsident des
Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klassen,
eine «Denkschrift» verfasst, in der er der zeitgemäßen Sorge des Bürgertums um seine unverheirateten Töchter Ausdruck verlieh. Er rief auf zur Bildung eines
Vereins zur Förderung weiblicher Berufstätigkeit
und fand großen Anklang, denn die Frauenfrage, auf ihre
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