Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Verwicklung und ihre politisch riskante Rolle zu erkennen.
Erste Nachkriegszeit
Es gab keine Stunde null und auch nicht nur Trümmerfrauen, sondern sehr ungleiche Lebenslagen und unterschiedliche Leiderfahrungen. Im Chaos der Niederlage, nach der Zerstörung der Städte und Verkehrswege, nach Flucht und Vertreibung von mehr als 12 Millionen Menschen und der Auflösung des bisherigen Sozialgefüges – es ist immer dann, wenn es ums Überleben geht, auf die Frauen Verlass. So auch in den ersten Nachkriegsjahren, in denen Frauen tatsächlich eine Mehrheit in den vom Deutschen Reich verbliebenen vier Besatzungszonen bildeten. Der «Frauenüberschuss» von 7 Millionen Frauen wurde immer wieder, wie zur Rechtfertigung ihrer besonderen Aufgaben und Beteiligung, zitiert. «Die Frauen haben begonnen, an der Neugestaltung des deutschen Lebens mitzuwirken. Sie wollen mit ihren fraulichen Kräften helfen, dass nicht nur Neues, sondern Besseres entsteht, um den weiblichen Einfluss im öffentlichen Leben zu verbreitern …», so war in den Zeitungen zu lesen. Und das Selbstbewusstsein «Wir müssen es machen» gründete sich erneut auf das traditionelle Rollenverständnis von der besonderen Eignung der Frauen, der Welt ein «menschlicheres» Gesicht zu geben – nicht nur im besiegten Deutschland. Eine Weltbewegung der Mütter (
Mouvement Mondial des Mères)
, die 1947 eine
Charta der Mütter
auf den Weg brachte, schließlich die von der amerikanischen Journalistin Dorothy Thompson angestoßene
Weltorganisation der Mütter aller Nationen (W.O.M.A.N.)
belegen, wie groß die Friedenssehnsucht überall auf der Welt war.
Die Initiatorinnen der «ersten Stunde» waren vorwiegend Vertreterinnender «alten» Frauenbewegung und der Frauenbewegung vor 1933 verbundene Politikerinnen sowie Frauen der
SPD
und
KPD
, die Verfolgung und KZ-Haft überlebt hatten. Erstaunlich ist, wie schnell die ‹alte Garde› der Frauenbewegten trotz aller Beschwernisse des Reisens und der Kommunikation Verbindung untereinander aufnahm. Dazu gehörten Agnes von Zahn-Harnack, die letzte Vorsitzende des
BDF
, Dorothee von Velsen, Emmy Beckmann, Marie-Elisabeth Lüders und auch Gertrud Bäumer. Zahn-Harnack, die von den Besatzungsmächten als politisch integer und widerständig anerkannt wurde, war die Erste, die die deutsche Frauenbewegung anlässlich einer Einladung nach England 1946 im Ausland vertreten durfte. Sie hatte bereits im Frühjahr 1945 den
Wilmersdorfer
, später
Berliner Frauenbund 1945 e.V.
gegründet, «um die Frauen zu neuer Besinnung und Tat zu sammeln».
Im Zuge der Friedensinitiativen hatten sich auch Vertreterinnen der
Internationalen Friedensliga für Frieden und Freiheit
in Ost und West wieder zusammengefunden, darunter
Anna Haag
(1888–1982), die alte und neue Vorsitzende der Frauenliga in Stuttgart und bis 1950 Abgeordnete im Baden-Württembergischen Landtag, sowie
Magda Hoppstock-Huth
(1881–1959), die 1939 aus der Emigration zurückgekehrt, noch von den Nazis zum Tode verurteilt, jedoch von den englischen Truppen befreit worden war. Sie baute in Hamburg die
IFFF
-Gruppe wieder auf und wurde als
SPD
-Abgeordnete Mitglied in der ersten Bürgerschaft. Doch gerade wegen ihrer interzonalen Verbindungen wurden die Pazifistinnen im Westen bald der kommunistischen Kollaboration verdächtigt und hatten zunehmend einen schweren Stand.
Neben der «alten Garde» war da die Riege der «neuen» Frauen, die sich den neu gebildeten Parteien zuordneten oder in den Stadtparlamenten und Behörden arbeiteten. Dazu zählte zum Beispiel
Gabriele Strecker
(1904–1983), die als Leiterin des Frauenfunks beim Hessischen Rundfunk im
Frankfurter Frauenausschuss
und darüber hinaus eine einflussreiche Rolle spielte. Eine andere führende Persönlichkeit wurde
Theanolte Bähnisch
(1899–1973), die erste 1946 zur Regierungspräsidentin berufeneFrau und Initiatorin des
Clubs deutscher Frauen
in Hannover, die den Zusammenschluss der Frauenausschüsse in den Westzonen betrieb. «Fern von jedem Suffragettentum!», war die Devise, mit der Bähnisch die Frauen bei ihren Alltagsproblemen packte und versprach: «Wir wollen nicht – um in der männlichen Sprache zu reden – zu einem Machtfaktor des öffentlichen Lebens werden, sondern zu einem ‹ordnenden Faktor›.»
Ebenso wie die «Re-education»-Programme der Briten und Amerikaner, die mit der Erziehung zur Demokratie gezielt bei den Frauen ansetzten, einzelne Frauen bzw. den Zusammenschluss ihrer
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