Freakshow
mitmischt?« Heckenpennes seufzte in mein Ohr. »Ich hab’s dir gemailt«, sagte er. »Zusammen mit einer Menge anderen Materials. Wann hast du das letzte Mal in dein Notebook gekuckt?«
Mit dem Handy am Ohr fuhr ich rechts ran, machte den Motor aus, griff unter meinen Sitz, zog das Notebook hervor und klappte es auf.
»So wie ich dich verstanden habe, drängt die Zeit«, meinte Heckenpennes. »Außerdem habe ich die Belohnung nur erneuert. Und erhöht. Im Grunde steht sie seit letztem Winter aus. Du musst den Key links unten drücken«, sagte er, bevor ich fragen konnte.
Der Bildschirm sprang an.
»Du siehst beschissen aus«, fand Heckenpennes, vier Kilometer Luftlinie von mir entfernt. »Du bist doch nicht etwa wieder auf Junk?«
»Hä?«
»Oberhalb vom Monitor ist eine Webcam eingebaut, Kristof. Ich kann dich sehen. Falls du mich auch sehen willst, musst du …«
»Wo?«, unterbrach ich ihn. »Wo ist die Kamera?« Heckenpennes erklärte es mir, und ich nahm eine Rolle Tape aus dem Handschuhfach, riss ein Stück ab und klebte es über das Objektiv.
»Man kann die Kamera auch einfach ausschalten«, meinte Heckenpennes in geduldigem, möglicherweise aber auch resigniertem Tonfall. »Sicher ist sicher«, sagte ich. »Geh mal auf >Bilddateien<.« Ich gehorchte.
»Hast du schon gefrühstückt?«
»Ja … nein«, antwortete ich, wusste nicht recht, und auch nicht, was die Frage sollte. »Geh auf >Onkel Ben<.«
Ich tat, wie geheißen, das erste Foto ging auf, und mit einem Würgen im Hals begriff ich den Sinn der Frage jetzt doch.
»Klick dich mal durch die Galerie und sag mir, was dir auffällt. Du hast das geschultere Auge.« Ich klickte. »Er hat sich den Fotzenbart abrasiert«, sagte ich, »und die Haare schwarz gefärbt.« Doch er war es, kein Zweifel. Diese blasse, adrige Haut mit ihrer gräulichen Behaarung, dieser eckige Knochenbau mit der Trichterbrust, dieser mitleidlose, gierige, nach innen gerichtete Blick, diese fleckigen Zähne. »Sein Gesicht war wie gehabt unkenntlich gemacht, doch da wir die Verschlüsselung schon letzten Winter geknackt hatten, war es diesmal eine Sache von Minuten. Ja, um ehrlich zu sein, haben wir genau danach gesucht, nach Bildern mit dieser Kodierung.« Ohne Heckenpennes’ Hilfe wäre es damals unter Umständen unmöglich gewesen, Peelaert zu identifizieren, und der Untersuchungsrichter stünde bis heute unbescholten in Luxemburger Diensten.
Ich klickte weiter. »Es sind Kinder ganz unterschiedlicher Hautfarben zu sehen.«
Die Bilder waren von erstaunlicher, grausamer Schärfe. »HD«, erklärte Heckenpennes.
Sie zeigten alles, in das Innerste angreifendem Detail. Tränen. Kotze. Blut. Kot. Speichel. Pisse. Schweiß. Tränen. Und, natürlich, Sperma. Immer wieder Sperma. Unzählige miese, kleine Samenergüsse. Ich sah kurz hoch, aus dem Autofenster, einfach um mich zu vergewissern, dass es auch noch eine normale Welt gibt, da draußen.
Dann stellte ich meine Konzentration um, vom Geschehen auf das Umfeld. Klickte mich weiter und weiter. »Die Aufnahmen sind samt und sonders in einer Schule gemacht worden«, stellte ich fest. »In einem Klassenzimmer.«
irgendwo im französischsprachigen Raum< hatte Commissaire Leblanc den Flüchtigen vermutet, und er sollte recht behalten. Die Blickwinkel der offensichtlich von einer Person gehaltenen Kamera wechselten ständig, doch eine Schultafel wanderte wieder und wieder in den Bildausschnitt. Die Beschriftung der Tafel änderte sich mit jedem neuen, vergewaltigten Kind. Neben simplen Rechenaufgaben gab es auch einzelne Wörter und kurze Sätze zu sehen.
»Landessprache Französisch, wie es aussieht.« Ich klickte weiter, weiter, weiter, dann noch mal zurück. »Doch nicht ausschließlich«, fügte ich hinzu. »Was meinst du?«, fragte Heckenpennes. Ich nannte ihm die Nummer des Bildes.
»Hab ich«, sagte er.
»Siehst du den Feuerlöscher in der Ecke?«
»Ja?«
»Die Beschriftung ist zweisprachig. In zwei völlig unterschiedlichen Schriftbildern. Eins davon asiatisch, wie es aussieht.«
»Eine frühere französische Kolonie?«, mutmaßte Heckenpennes.
»Kambodscha oder Vietnam«, riet ich. »Das kriege ich raus«, sagte er.
»Vollmachen?«, fragte Johanna, ich nickte, und sie stellte die leere Kanne unter den Hahn der Kaffeemaschine, drückte einen Knopf. Sie bewegte sich routiniert hinter ihrem Tresen, alle Handgriffe saßen, und trotzdem hatte sie etwas Deplatziertes an sich, wie eine Hollywood-Diva in einer
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