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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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blutige Federn vom Overall schnicken, nachdem ich meine einzige Schrotpatrone in den Schwarm gefeuert hatte, damit die hysterisch flatternden Biester endlich von Alfred abließen. Nackt, natürlich, hatten sie Alfred an ein extra per Hänger herbeigeschafftes und mit Spanngurten am Galgenbaum befestigtes Kreuz gefesselt. Ein Kreuz mit Rad, höchstwahrscheinlich aus dem Fundus von Laurentz, da es stark dem vom Cover der >Martyrium<-DVD ähnelte. Doch wozu der ganze Aufriss, wenn man Alfred auch genauso gut direkt an den Baum hätte binden können?
    Nachdem ich ihn losgeschnitten hatte, und er - unter dem Anhänger und trotzdem noch verfolgt von dem dreisten Federvieh - wieder in seine Anziehsachen stieg, entdeckte ich des Rätsels Lösung: Groß wie ein halbes Ei und mit Tape an einer der Bracken des Anhängers befestigt, hatte eine kleine Webcam das gesamte Geschehen gefilmt. Und ein Gekreuzigter ergibt einfach eindrucksvollere Bilder, wenn man sich nur für eine Sekunde auf dieses Denken einlässt. Eine Ambulanz mit Blaulicht kam hinter mir die Auffahrt zur Notaufnahme hoch, also setzte ich den Toyota um, machte den Motor aus und rief Heckenpennes an. »Eine drahtlose Kamera?«, fragte er. »Da muss dann irgendwo ein Empfänger in der Nähe sein, wahrscheinlich ein Laptop. Bist du noch vor Ort? Dann schnapp dir das Ding.«
    »Nein, verdammt. Und ich muss Schluss machen.« Mendens Gegenentwurf zu einem Buddha-Antlitz verdüsterte mir das Beifahrerfenster. Da ich ihn selbst angerufen hatte, konnte ich noch nicht mal fluchen über sein Auftauchen.
    Ich stieg aus, hockte mich auf die Motorhaube und gab ihm einen Abriss von allem, was ich im Laufe des Nachmittages so in Erfahrung gebracht hatte.
    »Wissen und beweisen können …«, murrte er missmutig, ohne den Satz zu vollenden. »Diese Siedler oder >Zeugen< haben uns bisher mehr Sorgen bereitet als tatsächlichen Ärger«, fuhr er fort. »Was zum Teil auch daran liegt, dass sich die Sekte abschottet und unser Rechtssystem nicht anerkennt. Ihnen wird eine Haltung von Stringenz in juristischen Fragen nachgesagt, mit einem Hang zu biblischer Selbstjustiz. Sie wissen schon, >Auge um Auge< und so weiter. Wenn solche Leute einmal durchdrehen, wird es meistens hässlich. Also, halten Sie sich fern und überlassen Sie uns die Arbeit.« Er sah mich abwartend an, doch ich schwieg. Ich habe mir schon lange abgewöhnt, Dinge zu versprechen, die ich anschließend nicht halten kann. »Und kommen Sie bloß nicht auf die Idee, Ihre Rockerkumpels mit in diese Sache hineinzuziehen. Die Stormfuckers stehen nach wie vor unter Beobachtung. Wenn wir in diesem Sommer irgendetwas nicht brauchen, dann ist das ein Konflikt zwischen einer fanatisierten Sekte und einer kriminellen Bande.« vielleicht muss es erst Tote geben …<, hatte Grotzki gemutmaßt. Mit einem Auge hatte er dabei mich angesehen, mit dem anderen seine Frau. Und die hatte genickt. »Und ich will auch keinen Krieg zwischen einer deutschen kriminellen Bande und einer türkischen. Ich warne Sie, Kryszinski. Duisburg-Marxloh ist auch ohne Ihre Einmischung schon ein Gärbottich, wenn nicht gar ein Pulverfass.«
    Damit machte er kehrt und ging ins Krankenhaus, Alfred mit Fragen löchern, auf die er keine Antwort erhalten würde. Nach einem Moment folgte ich ihm.
     
    Schwester Rebekka hievte einen Präsentkorb auf die Theke. »Kleine Aufmerksamkeit von der Klinikleitung.« Ihre Augen blickten keck, und ihr Lächeln war bübisch. »Für die vielen Behandlungen, die Sie uns vermitteln.«
    »Sie verarschen mich«, sagte ich.
    »Herrje, ich versuche nur, Sie ein bisschen aufzumuntern«, entgegnete sie und nahm den Korb wieder runter. »War wohl nix«, meinte sie, und ich versuchte mich an einer aufgemunterten Miene, bis sie den Kopf schüttelte und mich weiterwinkte.
    Alfred, Schädel bandagiert wie der einer Mumie, kam mir zusammen mit Menden aus der Notaufnahme entgegen und wurde in eine andere Abteilung geführt, für noch mehr Pflaster und Verbände. »Ameisen, Ratten, Krähen«, begrüßte mich Dr. Korthner, und zupfte die blutigen Gummihandschuhe von seinen Fingern. »Bin jetzt schon gespannt, wovon sich Ihr Freund das nächste Mal anknabbern lässt.«
    »Ein paar Kids haben ihn mit Sex geködert und wohl auch Filme mit ihm gemacht. Doch das erklärt immer noch nicht, wie sie ihn überwältigt haben.«
    »Dazu«, sagte Dr. Korthner munter, »habe ich endlich die Lösung gefunden: Er war ohnmächtig, als man ihn gefesselt hat.

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