Freakshow
Jemand mit sehr viel Kraft hat ihn von hinten in eine Art Polizeigriff genommen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Jemand mit starken und gleichzeitig adipösen Armen.«
»Adipös?«, fragte ich.
»Dick, fettleibig, weich. Daher sind die durch die Gewalteinwirkung hervorgerufenen Hämatome am Hals des Opfers sehr breit und nur erstaunlich schwach verfärbt.« Die gleiche Geschichte wie bei dem Aufbereiter, dachte ich.
»Möglich, dass er schon beim ersten Mal welche hatte, und ich sie ganz einfach übersehen habe.«
»Jemanden zu würgen, bis er umkippt, erfordert sicher einiges an Übung«, sagte ich. »Ich meine, ohne ihn dabei umzubringen.«
»Manche machen das freiwillig«, sagte Korthner. »Oder lassen es an sich machen. Asphyxiophilie, also Orgasmus durch Strangulation, ist eine gar nicht mal seltene Sexualpraktik. Riskant, sicher, aber das hält niemanden ab, vom Teenie bis zum Lustgreis.« >Du kannst dir gar nicht vorstellen, was hier gefickt wird<, hatte Priscilla geraunt und auf das Heim verwiesen. Priscilla mit den adipösen Armen. Und der Analgesie. Hat sie dich einmal im Würgegriff, könntest du dich noch so zur Wehr setzen, ihr mit deinen Ellenbogen die Rippen brechen, sie würde nicht loslassen … »Setzen Sie sich doch.« Dr. Korthner klopfte einladend auf eine Behandlungsliege, und ich hievte meinen Arsch auf die Papierunterlage.
»Ich mache mir allmählich Sorgen um Sie«, sagte er und griff nach einem Handspiegel. »Hier, sehen Sie sich mal an.« Er hielt mir den Spiegel vors Gesicht, und ein hagerer Serienkiller mit manischen, schwarz umrandeten Augen blickte mich an.
Dr. Korthner nahm einen kleinen Gummiball auf. »Ball«, sagte er und präsentierte ihn wie ein Zauberkünstler. Etwas machte Pock an meiner Stirn, und er hielt den Ball schon wieder in der Hand. Oder immer noch.
»Billiger Taschenspielertrick«, murrte ich. »Nein«, sagte Dr. Korthner, etwas machte Pock an meiner Stirn, und er zeigte den Ball vor. »Das ist Ihr derzeitiges Reaktionsvermögen.«
Kein Wunder, dachte ich, dass mich der Türke beim Kragen hatte, bevor ich ihm eins über den Schädel ziehen konnte.
»Fahren Sie Auto? Sollten Sie besser bleiben lassen.« Er zog eine Stablampe aus der Tasche, knipste sie an, schob die Lider meines linken Auges auseinander und der Lichtstrahl stach mir ins Hirn, bis ich den Kopf wegdrehen musste.
»Ihre Pupillen verkleinern sich nur nach enormer Verzögerung, Ihr Puls …« Er griff mein Handgelenk, presste eine Ader gegen einen Knochen, »ist viel zu hoch und nicht wirklich im Takt. Sie befinden sich in einem Stresszustand, wie man ihn sonst nur bei Trauma-Patienten beobachtet.«
»Jetzt übertreiben Sie mal nicht«, sagte ich. »Mir fehlt nur ein wenig Schlaf.«
Er baute sich vor mir auf, Arme vor dem Bauch, bequem zurückgelehnt. »Wie würden Sie die Atmosphäre unseres Gesprächs bezeichnen?«, fragte er. »Eher angespannt, oder eher relaxed?«
»Komplett relaxed«, antwortete ich. »Wieso?«
»Warum rennen Sie dann die ganze Zeit?«
»Wie, rennen?«, fragte ich. »Na, sehen Sie sich mal Ihre Beine an!«
»Was wollen Sie? Ich lasse sie baumeln.«
»Nein, Kryszinski, Sie rennen, Sie rennen die ganze Zeit, während wir uns hier ach so relaxed unterhalten.« Er blickte ernst. »Ich gebe Ihnen jetzt einen dringenden ärztlichen Rat: Sagen Sie alle Termine ab. Und ich meine alle. Ich verschreibe Ihnen ein paar Tabletten, die nehmen Sie, sobald Sie zu Hause sind, und legen sich augenblicklich ins Bett. Und dann sollten Sie mal für drei Wochen irgendwo hinfahren, wo sich nichts abspielt.«
»Wangerooge«, fiel mir spontan ein. Dahin hatte man mich als Jugendlichen mal deportiert, für die mit Abstand längsten vierzehn Tage und Nächte meines Lebens, in deren Verlauf ich mehrmals gefährlich nahe daran gekommen bin, mich aus nackter, lähmender, geisttötender Langeweile zu entleiben.
»Denn wenn Sie das nicht tun, wenn Sie nicht schleunigst zur Ruhe kommen, befinden Sie sich auf direktem Weg hierher zu mir, hier auf meinen Tisch.« Und er klopfte mit der Hand auf die edelstählerne Oberfläche mit dem umlaufenden Rand und dem Abfluss in der Mitte.
Nach einer Weile schweigender Betrachtung ging mir auf, dass etwas in meiner Hosentasche surrte. Mein Handy.
Es war Heckenpennes. Er klang ziemlich atemlos. Er sagte: »Peelaert hat Kambodscha verlassen, mit einem Flug der Air France. Die Maschine ist vor anderthalb Stunden in Paris gelandet. Das bedeutet, Kristof, er
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