Freche Mädchen... 08: Rosen, Chaos, Hochzeitsparty
mich darum auch noch nicht gekümmert habe. Aber jetzt ist erst ein Telefonat mit Anke wichtig.
»Wo ist das Bild?«, flüstere ich, nachdem meine Eltern abgezogen sind.
»Bild? Welches Bild?«
»Okay, zweite Frage: Wo ist das Kleid? Nataschas Brautkleid?«
»Sag mal, Carlotta, spinnst du komplett? Kannst du nicht normal reden? Bist du krank?«
»Ich kann jetzt nichts erklären«, flüstere ich. »Meine Eltern stehen vor der Tür und lauschen. Versuch dich bitte zu erinnern. Hast du ein flaches Paket aus meinem Schrank zu den Flohmarktsachen gelegt? Überleg genau, es ist wahnsinnig wichtig.«
Ankes Antworten schwanken zwischen »Ja, könnte sein« und »Ich glaube eher doch nicht«.
Ich bin also so schlau wie zuvor, als ich auflege. Erst jetzt fällt mir ein, dass ich sie auch noch genauer nach dem Kleid hätte fragen können, aber das würde unsere Freundschaft womöglich zu sehr strapazieren.
Nervös laufe ich in meinem Zimmer hin und her. Wo könnte dieses verdammte Bild nur stecken? Ob Sven eine Ahnung hat? Ich greife zum Handy, wähle seine Nummer, aber da ist nur die Mailbox. »Hör mal«, sage ich, »du musst mich sofort zurückrufen! Es ist wahnsinnig wichtig, es geht sozusagen um Leben und Tod!« Das ist, so bin ich mir sicher, die einzige Möglichkeit, Sven auf Trab zu bringen. In der Zwischenzeit kann ich nichts anderes tun, als zu warten. Und zu überlegen.
Als ich eine Weile später aus dem Fenster schaue, sehe ich, dass Lorraine im Anmarsch ist. Humpelnd mit Krücken, aber in einem Affenzahn steuert sie auf unsere Haustür zu. Wenn ich ihre Miene richtig deute, ist unsere Nachbarin mindestens auf hundert.
Ich suche gerade unter meinem Bett – könnte ja sein, dass sich das Bild dort verkrochen hat –, da höre ich meinen Vater nach mir rufen. Seine Stimme klingt so, dass ich es für besser halte, blitzartig nach unten zu rennen.
Etwas muss passiert sein! Papa hat den Arm um Natascha gelegt, als wolle er sie beschützen. Vielleicht vor Lorraine, die wild mit ihren Krücken herumfuchtelt und völlig außer sich ist. »Niemals mehr werde ich auch nur einen Fuß in dieses Haus setzen!«, schäumt sie. »Versucht erst gar nicht, mich zu versöhnen. Es ist aus! Ich gehe jetzt, und zwar für immer!«
Sie wirft Papa einen vernichtenden Blick zu, packt ihre Krücken und humpelt an uns vorbei. Natascha will etwas erwidern, aber Lorraine zischt: »Geschenkt!«, und Sekunden später fällt die Haustür mit lautem Knall ins Schloss.
»O, là, là«, sagt Natascha und atmet tief durch. »Starker Abgang. Vielleicht sollten wir Carlotta fragen, was sie von der Angelegenheit weiß. Nun, meine Liebe?«
»Ich weiß absolut nichts!«, rufe ich. »Ehrlich! Aber ihr klärt mich bestimmt gleich auf, wie ich euch kenne.«
»Das ist jetzt überhaupt nicht mehr lustig«, sagt Papa ernst. »Lorraine hat angeblich erfahren, wir hätten ihr Hochzeitsgeschenk heute Vormittag auf dem Flohmarkt verscherbelt. Für vierzig Euro, was sie als ungeheure Beleidigung empfindet. Wo es doch Tausende wert sei.« Er fixiert mich. »Gestehe sofort, falls du etwas mit der Sache zu tun hast!«
»Flohmarkt …?«, frage ich nach.
Meine Stimme klingt so, als würde ich dieses Wort zum ersten Mal im Leben hören. Mir ist klar, dass die Situation grauenhaft verfahren ist, und ich sage darum betont langsam: »Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir ein, dass ich doch auf dem Flohmarkt war. Aber ich schwöre, ich habe dort kein Bild verkauft. Und erst recht kein Kunstwerk von Lorraine, das würde ich mich niemals getrauen. Das müsst ihr mir schon glauben!« Stimmt ja auch, ich habe jedenfalls kein Bild verkauft.
»Ich vermute …«, fängt Papa an, da klingelt mein Handy.
»Sorry, das ist jetzt wahnsinnig wichtig!«, rufe ich, stürze aus dem Zimmer und nehme ab.
»Leben oder Tod«, kichert Sven. »Darunter machst du es nicht, oder?«
Ich brauche einen Moment, bis ich kapiere, was er meint. Dann sage ich: »Lach nicht, es ist wirklich wahnsinnig wichtig. Denk jetzt bitte ganz genau nach. Hast du heute auf dem Flohmarkt ein Bild verkauft? Und falls ja, weißt du noch, an wen?«
Es dauert eine halbe Ewigkeit und ich wage kaum zu atmen, da brummt Sven: »Doch, ich erinnere mich. Es war so ungefähr halb neun, du warst weg und Anke hat uns was zu trinken geholt. Zu dem Zeitpunkt war gerade nicht so viel los bei uns, ich hab gezählt, wie viel wir eingenommen haben und …«
»An wen hast du es verkauft?«, unterbreche ich
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