Freche Mädchen... 08: Rosen, Chaos, Hochzeitsparty
Kehle dringt kein Laut. Es dauert eine ganze Weile, bis mir klar wird, dass ich nur geträumt habe. Komisch, das prasselnde Geräusch ist immer noch da. Und dann kapiere ich endlich. Ich springe aus dem Bett, renne zum Fenster, ziehe die Jalousie hoch und reiße das Fenster auf.
»Na endlich!«, ruft Anke von unten hoch. »Wir haben eine halbe Kiesgrube an dein Fenster geworfen. Sven war drauf und dran zu klingeln. Hältst du Winterschlaf oder was?«
»Ich hab den Wecker nicht gehört, tut mir leid! In einer Minute bin ich unten!«, rufe ich halblaut, während ich nach Jeans und T-Shirt angle. In Sekundenschnelle ziehe ich mich an, fahre mir mit der Hand einmal durch die Haare, hole die Kartons aus dem Schrank und schiebe sie mit dem Fuß zur Treppe, während ich mir gleichzeitig die Zähne putze.
Dann renne ich nach unten, um die Haustür aufzuschließen.
»Pst«, mache ich, als Sven was sagen will. »Die Kartons stehen oben an der Treppe. Aber sei bloß leise.«
Ursprünglich hatte ich vor, das Brautkleid mitzunehmen und gleich nach dem Flohmarkt zu Susi zu bringen, aber dazu reicht die Zeit nicht mehr. Ich husche in mein Zimmer zurück, lasse die Jalousie wieder runter und stopfe meine Kuscheltiere von früher, die auf dem Bücherregal sitzen, unter meine Bettdecke. Natascha fällt wahrscheinlich nicht darauf rein, aber vielleicht mein Vater. Obendrein lege ich noch den Zettel, den ich schon gestern Abend geschrieben habe, vor meine Zimmertür:
Ich habe wahnsinnig lange für Englisch gelernt. Auf keinen Fall wecken!!!
Der Plan müsste hinhauen, hoffe ich, als ich mich aus dem Haus schleiche.
Aber als wir kurz nach sechs auf dem Parkplatz der Schule stehen, stellen wir fest, dass alle Standplätze bereits vergeben sind. »Um halb sechs war hier schon alles dicht«, meint der Mann, der die Standgebühren kassiert. »Geht doch zum Kinderflohmarkt. Da hinten an der Ecke ist was frei.«
»Ja, tut mir leid«, sage ich, als Anke mich vorwurfsvoll anschaut. »Jeder kann mal verpennen. Außerdem interessiert überhaupt nicht, wo wir das große Geld machen, oder?«
»Und ob wir hier oder dort erfrieren!«, murmelt sie und kuschelt sich an Sven.
Ich schaue lieber in die andere Richtung. Mir ist ebenfalls kalt, aber ich habe niemanden, der mich wärmt. Doch das ist jetzt Nebensache, denn toll ist: Kaum haben wir die ersten Sachen ausgepackt, brummt das Geschäft auch schon. Wir scheinen eine echte Marktlücke entdeckt zu haben.
»Wahnsinn!«, sage ich nur, als ich sehe, wie viel wir in kurzer Zeit eingenommen haben. Zwar hat der Ansturm etwas nachgelassen, ehrlich gesagt war seit Minuten kein einziger Kunde mehr hier in unserer Ecke, aber trotzdem. »Wenn man das hochrechnet auf den ganzen Tag, dann …« Ich verstumme.
Weder Anke noch Sven fällt das auf, denn sie sind ausgiebig mit Händchenhalten beschäftigt.
»Ich bin mal kurz weg!«, rufe ich.
Mein Herz schlägt bis zum Hals, als ich mich an den Flohmarktbesuchern vorbei zum übernächsten Stand drängle. Gerade rechtzeitig bleibe ich in sicherer Entfernung stehen, ducke mich schnell hinter einer Brezelverkäuferin, als er kurz hochschaut. Aber dann vertieft er sich wieder in einen Comic, während ich so tue, als würde ich mich brennend für die alten Schallplatten interessieren, die eine Frau mit knallroten Haaren auf einer Decke ausgebreitet hat.
Aus den Augenwinkeln beobachte ich ihn unauffällig. Die zwei Mädchen, die am Stand verkaufen, verschlingen ihn fast mit ihren Blicken und die ältere der beiden wirft die Haare zurück und scheint ihn etwas zu fragen. Aber Chris zuckt lediglich mit den Schultern. Mit einem Lächeln legt er das Heft zurück und schlendert weiter. Ich merke, wie erleichtert ich bin. Als Herzensbrecher scheint er heute jedenfalls nicht unterwegs zu sein.
Ich verfolge ihn, inzwischen mit ein bisschen weniger Herzklopfen als vorhin. Immer wieder bleibt er stehen, blättert Comics durch, lacht einmal laut auf, scheint alles um sich herum vergessen zu haben. Die Gelegenheit wäre günstig, ihn anzusprechen, vor allem weil dieses Mal das Überraschungsmoment auf meiner Seite ist. Aber andererseits: Ich habe meine älteste Jeans an, das nicht mehr ganz frische T-Shirt von gestern und auch ohne Spiegel kann ich mir lebhaft vorstellen, wie ich aussehe. Jedenfalls nicht unbedingt zum Verlieben, so viel ist klar. Es spricht also ziemlich alles dagegen, Chris wie zufällig zu begegnen.
Ich will gerade den Rückzug antreten, da
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