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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Elternhaus. Man konnte es schon beinahe eine Villa nennen. Vor dem Haus stand ein polierter schwarzer BMW.
    „In diesem Haus habe ich versucht, mir das Leben zu nehmen“, sagte Madoka. Sie strich sich unablässig über den geschorenen Kopf. „Bestimmt haben die Leute, die jetzt darin wohnen, nicht viel dafür bezahlt. Es ging durch alle Medien – und solche Häuser verkaufen sich schlecht. Die Leute sind abergläubisch.“
    „Wieso? Wenn du nicht darin gestorben bist, kann es dort nicht spuken, oder?“
    Madoka beschleunigte die Schritte, als eine junge, teuer gekleidete Dame an einem der Fenster zu sehen war. „In Japan kennt man nicht nur bôrei , das sind die Geister von Toten. Man hört auch oft von iki-ryô . Darunter versteht man die Geister von Lebenden. Vermutlich waren Priester hier und haben das Haus rituell gereinigt. O-harai nennt man das. Oh, ich glaube, ich doziere.“ Sie blieb stehen und heftete ihren Blick auf eine Stelle über dem grauen Ziegeldach. Lange Zeit stand sie so da.
    „Was suchst du?“
    „Nichts. Manchmal bilde ich mir ein, mein Schutzgeist wäre irgendwo in der Nähe geblieben. Ich rede mir ein, er sei nicht vernichtet worden, sondern habe sich nur von mir getrennt und warte auf meine Rückkehr.“ Sie holte tief Luft. „Das ist auch der Grund, warum ich das Haus noch einmal sehen wollte. Entschuldige bitte, ich bin nicht hergekommen, um es dir zu zeigen.“
    „Da gibt es nichts zu entschuldigen. Wir können hier bleiben, so lange du möchtest.“
    „Nein, gehen wir! Hier ist nichts mehr. Was tot ist, ist tot.“
    Schweigend legten sie den Weg zum Bahnhof zurück. In jener Nacht, als sie den Fehler ihres Lebens beging, hatte Madoka sich von hier aus ein Taxi zur Klinik in der Stadt Urawa genommen. Nun tat sie dasselbe zusammen mit Madoka. Sie wären auch mit Zug und Bus an ihr Ziel gekommen, doch dazu hätten sie dreimal umsteigen müssen.
    Fast acht Jahre lag es zurück, und Melanie nahm an, dass sich eine Menge verändert hatte. Madoka sprach nicht mit ihr darüber. Alles, was sie sagte, war: „In diesem Haus war die Klinik.“
    Die Deutsche betrachtete sich das Gebäude. Es war hellblau gestrichen, doch die Farbe blätterte überall ab. Auf der linken Seite zogen sich sogar tiefe Risse durch die Wand. Die Häuser waren hier leichter gebaut als in Europa und verfielen schneller. Die quadratischen weißen Leuchtflächen mit den Schriftzeichen, die vermutlich den Namen der Klinik darstellten, waren allesamt zerstört. Wenn man genau hinsah, glaubte man Spuren von Vandalismus zu erkennen. Melanie, die sich Steine werfende Japaner nur schwer vorstellen konnte, rief sich in Erinnerung, unter welchen Umständen dieses Krankenhaus aufgegeben worden war. Dr. Fumio Andô hatte man in einem raschen Prozess die Lizenz entzogen. Insgesamt sechs Menschen aus seinem Umfeld hatten sich das Leben genommen: vier seiner Patienten, dazu seine siebzehnjährige Bettgefährtin und deren Vater. Zur grausigen Krönung des Ganzen hatte noch seine eigene Tochter einen Selbstmordversuch hingelegt. Bestimmt gab es Menschen, die Dr. Andô nach diesen Vorfällen aus ganzem Herzen hassten, und warum sollte nicht einer von ihnen den Verfall dieses Hauses ein wenig beschleunigt haben?
    „Es steht seither wirklich leer?“, fragte Melanie ungläubig. „Die ganzen acht Jahre über?“
    Madoka hob die Schultern. „Ich sehe keine Spuren, dass das Haus anderweitig genutzt worden wäre. Wir sollten von der Rückseite her einsteigen. Hier vorne ist es zu auffällig.“
    Gelbe Kunststoffbänder waren quer über das Hauptportal gespannt. Auch an den Fenstern gab es diese Markierungen, die der Öffentlichkeit wohl den Zutritt verbieten sollten. Melanie folgte Madoka durch eine enge Gasse zwischen der Klinik und dem Nebengebäude. Sie mussten über zwei alte Fahrräder und ein rostiges Etwas steigen, das wohl einmal eine Stereoanlage gewesen war.
    „Die Fenster sind alle verriegelt“, stellte Melanie fest.
    „Das ist bei Kliniken dieser Art unvermeidlich. Aber es gibt einen Hintereingang. Das Personal und die Besucher kamen von der Frontseite, aber die Patienten … nein, es hätte den Besitzern der umliegenden Läden nicht gefallen, wenn die psychisch Kranken auf offener Straße verladen worden wären. Hier!“ Sie hatten einen Hinterhof erreicht, zu dem es eine lange, schmale Zufahrt gab. Hier war noch mehr Müll, und die einzigen Fenster, die auf diesen Hof wiesen, gehörten zu einer eisenverarbeitenden

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