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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Gefahr zu laufen, von außen gesehen zu werden.
    Madoka nahm die Karten nacheinander heraus und besah sie sich. „Das ist ein bekannter Jazz-Pianist“, kommentierte sie und reichte die Karte an Melanie weiter. „Und das hier ein Abgeordneter.“ Melanie sah, dass Dr. Andô die Angewohnheit hatte, sich auf den Rückseiten Notizen zu machen.
    „Glaubst du, irgendjemand von denen eine Ahnung hat, wo sich dein Vater aufhält?“
    „Das ist denkbar. Aber dazu müsste man wissen, mit wem er in den letzten Jahren noch Kontakt hatte. Diese Visitenkarten stammen aus der Zeit, als er noch ein angesehener Arzt war – seit er seine Lizenz verloren hat, wollen diese feinen Herrschaften sicher nichts mehr von ihm wissen.“
    „Es sind ziemlich viele.“
    „Mehr als fünfzig Karten. Unmöglich, die alle abzuklappern, ohne viel zu viel Staub aufzuwirbeln.“ Madoka zog sie einzeln heraus, drehte sie um und las auch die handschriftlichen Notizen ihres Vaters. Melanie fragte sich, was in diesen Minuten in ihr vorging. Fühlte sie sich von den Schatten ihrer Vergangenheit eingekreist, an etwas erinnert, das sie zu vergessen versuchte, oder suchte sie lediglich mit dem kühlen Verstand eines Detektivs nach einem Anhaltspunkt, nach einer Adresse, die sie weiterbringen konnte?
    Melanie erschrak, als Madoka erstarrte, eine Karte in der Hand.
    „Was ist?“, fragte die Deutsche.
    „Miura Sasuke“, las Madoka leise.
    „Und? Sag schon, wer ist diese Frau Sasuke?“
    Madoka schüttelte irritiert den Kopf. „Nein, es ist keine Frau. Der Nachname steht zuerst. Dieser Mensch heißt Miura, und es ist ein Mann. Sasuke ist ein männlicher Vorname.“
    „Herr Miura also. Auch ein Politiker oder Künstler?“
    „Nicht ganz. Mir sagt der Name nichts, aber mein Vater hat auf der Rückseite vermerkt: Betuchter Filmsammler. Besitzt einige skurrile Streifen. “
    Melanie riss die Augen auf. „Ein Filmsammler!“ Sie streckte die Hand nach der Karte aus und betrachtete sie aufgeregt. Auf der Rückseite unter der Bleistiftnotiz Dr. Andôs war die englische Übersetzung der Vorderseite zu lesen: Collector of rare films.
    „Das könnte ein Ansatzpunkt sein“, sagte Melanie aufgeregt. „Nein, das muss sogar die Lösung sein! Wir sind hier, um einen Film zu suchen, der mindestens beides ist – skurril und selten. Der Dieb, der die Filmrolle aus Sir Darrens Weinkeller gestohlen hat, hat ihn bestimmt an diesen“, sie las den Namen in lateinischen Buchstaben nach, „an diesen Miura verkauft. Der hat ihn seiner Sammlung einverleibt und …“
    „Er muss aber mehr damit angestellt haben, als ihn in einen Tresor zu legen und die Tür abzuschließen.“
    „Richtig. Bestimmt hat er ihn im kleinen Kreis aufgeführt. Dein Vater und Miura sind sich offenbar nicht ganz fremd. Also wird dein Vater bei der Vorführung dabei gewesen sein, und vielleicht dein Bruder auch.“
    Madoka dachte nach. „Und wenn es so war? Das erklärt nicht, warum jemand durch deine Augen sehen kann.“
    „Natürlich nicht.“ Melanie, die ganz nervös geworden war, kam wieder etwas zu Ruhe. „Natürlich sind wir noch nicht so weit. Wir wissen nichts über das Wie , aber vielleicht wissen wir, wen wir suchen müssen. Seine Adresse steht hier. Und selbst, wenn sie sich geändert hat, dürfte es keine Schwierigkeit sein, einen Mann wie ihn aufzuspüren.“
    „Du vergisst einen entscheidenden Punkt.“ Madoka kaute auf der Unterlippe. „Wenn Miura derjenige ist, der mit deinen Augen sieht, dann sieht er auch, was du jetzt siehst – deine Hand, die seine Visitenkarte hält. Er weiß, dass wir ihm auf die Spur gekommen sind.“
    Melanie schrie auf und warf die Karte weg. Daran hatte sie nicht gedacht. „Du hättest sie mir nicht geben dürfen!“, rief sie.
    „Beruhige dich“, sagte Madoka und hob die Visitenkarte auf. „Es ist nicht mehr zu ändern. Uns bleibt ohnehin nichts anderes übrig, als Miura aufzusuchen. Vielleicht ist er nur ein weiteres Steinchen in dem Mosaik und nicht das ganze Bild.“ Sie wischte die Karte an ihrer Hose ab und steckte sie ein. „Ich würde noch gerne einen Blick in das untere Stockwerk werfen.“
    „Wirklich? Was versprichst du dir davon? Ich dachte, wir haben, was wir wollen.“
    „Wahrscheinlich“, erwiderte Madoka. „Aber seit acht Jahren habe ich Albträume, in denen dieses Stockwerk vorkommt. Mein Tagebuch ist voll damit – oder was denkst du, worüber ich jeden Tag schreibe? Die Träume sind so furchtbar, dass ich sie mit der

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