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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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hinein.
    Madoka sprach weiter. Melanie hatte sie noch nie so schnell reden hören. Sie gestikulierte sogar, und ihre Wangen füllten sich mit Farbe. Es stand ihr gut, und doch konnte Melanie sich darüber nicht freuen.
    „One moment“, meinte der Beamte und griff zu einem klobigen, altmodischen Telefonhörer. Melanie konnte es aus ihrer Perspektive genau sehen. Ihr wurde schwindelig. Während er den Pass genau musterte, wählte er eine Nummer.
    In diesem Augenblick übertrat ein weißblonder, großgewachsener Herr in einem Trenchcoat die weiße Linie, kam heran und winkte mit seinem Pass. In amerikanischem Englisch teilte er dem Beamten mit, er stehe nun schon fünfzig Minuten in der Schlange und habe einen Zug zu erwischen, der in zehn Minuten abfuhr. Er wolle nicht drängeln, aber er verstehe ganz und gar nicht, warum für japanische Staatsbürger fünf Schalter geöffnet seien und für Ausländer nur einer.
    Der Mann in der Kabine knallte den Telefonhörer auf die Gabel, dass der Kunststoff krachte, und sprang auf. Schon war er im Begriff, das Häuschen zu verlassen, doch er drehte sich noch einmal um, nahm Madokas Pass, klatschte ihn, aufgeschlagen, wie er war, auf die Ablage und machte eine unwillige Bewegung mit dem Kopf, sie solle sich trollen. Dann nahm er sich den aufmüpfigen gaijin vor.
    „Nichts wie raus hier“, flüsterte die Japanerin der wartenden Melanie zu. „Bevor er es sich noch einmal anders überlegt.“
    Zwei Männer in Polizeiuniform kamen ihnen mit forschen Schritten entgegen, machten jedoch einen Bogen um sie. Sie unterstützten den cholerischen Beamten dabei, dem armen Amerikaner eine Lektion im Einhalten von Regeln zu erteilen. Und sorgten dafür, dass er seinen Zug unter keinen Umständen mehr erreichen würde.
    „Ich dachte immer, die Japaner wären so höflich“, meinte Melanie verblüfft, während sie sich auf schnellstem Wege durch das dichte Treiben schlängelten.
    „Bin ich höflich?“, fragte Madoka.
    „Nicht … wirklich“, lächelte Melanie.
    „Da siehst du’s“, grinste Madoka zurück. „Wo ist die Gepäckabholung?“
    Sie standen schon fast davor. Gemeinsam nahmen sie ihre Koffer an sich, ignorierten die zahlreichen einladenden Restaurants und begaben sich auf die Suche nach einer Bushaltestelle. Erst als sie in dem chromblitzenden, vollklimatisierten Limousinenbus nach Tôkyô saßen, fiel die Anspannung von Melanie ab. Sie war unendlich erleichtert, Madoka nicht in Schwierigkeiten gebracht zu haben. Im Nachhinein konnte sie kaum glauben, was für ein Risiko sie ihr zugemutet hatte. Sie wusste nicht, welche Strafen in Japan auf einen gefälschten Pass kamen, aber sie konnte sich lebhaft vorstellen, dass es nicht mit einem Bußgeld getan sein würde. Wie schnell hätte sich ihr Leichtsinn diesmal rächen können. Ob sie diejenige war, die einen Schutzengel hatte?
    Der flinke, hilfsbereite Busfahrer, der ihre Koffer mit seinen kleinen, weiß behandschuhten Händen vorsichtig verstaut hatte, versöhnte Melanie aufs erste mit den Japanern. Ihr Flieger war kurz nach 20 Uhr gelandet, und jetzt ging es auf 22 Uhr zu. Die Metropole zeigte sich von der Seite, die man von Fotos kannte: ein buntes Lichtermeer, europäisch-amerikanisch geprägt, doch enger, chaotischer als westliche Großstädte. Auf mehreren Ebenen führten Straßen in die Stadt, und da nirgendwo eine unbebaute Fläche zu sehen war, verlor man unweigerlich die Orientierung.
    „Was du siehst, ist Amerika“, sagte Madoka. „Asien wirst du erst morgen kennen lernen, wenn es hell ist.“
    Der Bus lud sie nach einer einstündigen Fahrt am Bahnhof Tôkyô ab. Dort hielten sie eines von tausend kreisenden Taxis an und ließen sich zu ihrem Hotel bringen. Die Buchung über das Internet hatte funktioniert, und in dem neunstöckigen, dreihundert Betten starken Bauwerk standen wie durch ein Wunder tatsächlich zwei Einzelzimmer für eine Melanie Kufleitner und eine Madoka Tanigawa bereit.
    Nachdem sie sich eine gute Nacht gewünscht hatten, konnte es Melanie gar nicht mehr erwarten, in die Federn zu kommen. Sie verzichtete sogar darauf, eine Dusche zu nehmen, riss sich nur die Kleider vom Leib und warf sich auf das etwas zu weiche Bett. In Japan konnte es auch im Oktober noch sommerlich schwül sein, und sie musste die Klimaanlage anwerfen, um Schlaf zu finden.
    Gegen zwei Uhr erwachte sie wieder und hatte Hunger. Wenn man den Flur entlang ging, kam man zu einer kleinen Nische, die wie ein Fenster in eine entfernte

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