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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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stark.“
    „Selbstmord?“, wisperte Melanie.
    „Nicht unbedingt. Sie war vermutlich eine Medikamentensüchtige. Davon hat Japan gar nicht so wenige. Die typischen Drogen, die man im Westen kennt, sind wenig verbreitet, aber von Arzneimitteln sind viele abhängig. Niemand hat sich die Mühe gemacht, die Schränke zu leeren. Es ist, als hätten alle die Flucht ergriffen.“
    „Nach mir die Sintflut“, sagte Melanie. Ihr Bild von den ordnungsliebenden, akkuraten Japanern hatte einen weiteren Riss bekommen.
    „Das Haus hört nicht auf, sich Opfer zu holen. Wenn man so will, geht diese Frau auch auf meine Kappe.“
    „Jetzt redest du dummes Zeug!“, schimpfte Melanie.
    Madoka zuckte die Schultern und nahm endlich den Lichtstrahl von der Leiche. „Ich dachte, ich werde meine Albträume hier los. Aber ich glaube, das ist zu viel erwartet. Ich werde sie einfach übertapezieren – mit neuen Albträumen.“
    „Gehen wir, suchen wir diesen Miura auf“, meinte Melanie ungeduldig. Natürlich wollte sie einfach nur raus hier.

8
    Sasuke Miura war ein schlanker, mittelgroßer Mann in seinen frühen Dreißigern. Er hatte dichtes, borstiges Haar, das von seinem schmalen Kopf abstand, als hätte ein Vogel dort ein Nest gebaut. Seine Lippen waren dünn und immer in Bewegung. Er sprach mit hoher Stimme, schien gerne viel zu reden.
    Die beiden jungen Frauen hatte er nicht lange warten lassen. Von dem Moment, da sie die Türglocke seiner von mediterranem Baustil geprägten Villa betätigt hatte, bis zu dem, als er sie in sein großes Wohnzimmer führte, vergingen keine zwei Minuten. Aromatischer Schwarztee wurde ihnen von einer blutjungen, hübschen, aber irgendwie steifen Bediensteten gebracht. Auf dem Tisch stand ein Teller mit Süßigkeiten. Er hatte die Form einer Filmdose. Der Salon war teuer eingerichtet, und der Blick wurde magisch von einem gigantischen Flachbildmonitor angezogen, auf dem Naturimpressionen zu klassischer Musik liefen – Waldbäche, stille Seen, Sonnenaufgänge in den Bergen. Zimmerpflanzen gab es keine, die Natur war eine rein mediale.
    „Sie haben Glück, mich anzutreffen“, plapperte er drauflos, kaum dass sie ihre Plätze auf einer bequemen Ledercouch eingenommen hatten. „Ich bin heute Morgen erst aus Europa zurückgekehrt.“
    „Eine geschäftliche Reise?“, erkundigte sich Madoka. Sie sprachen Englisch, um die Deutsche nicht von ihrer Unterhaltung auszuschließen. Madoka beherrschte die Sprache makellos, während Miuras unbeholfene Aussprache und holprige Grammatik nicht mit seinem großen Wortschatz mithalten konnten.
    „Bei mir lässt sich das Geschäftliche nie von dem Privaten trennen“, erläuterte er mit einem nervösen Lächeln. „Aber das wissen Sie sicher.“
    Madoka nippte an ihrem Tee, nahm die Tasse jedoch schnell wieder von ihren Lippen und setzte sie ab. Offenbar war das Getränk noch zu heiß. „Sie wissen, wer wir sind?“, fiel sie mit der Tür ins Haus. Melanie verkrampfte sich unwillkürlich und achtete auf Miuras Reaktion.
    Dieser trommelte unruhig mit den Fingern auf seinen Knien herum, als würde er Klavier spielen. „Müsste ich das?“ Zum ersten Mal wandte er den Blick von ihnen ab.
    „Immerhin haben Sie uns sofort hereingebeten.“
    „Wofür wir ihnen dankbar sind“, ergänzte Melanie eilig.
    Miura gab sich überrascht, aber er spielte seine Rolle schlecht. „Sie sind keine Journalisten? Es kommen in letzter Zeit so viele – natürlich selten so aparte wie Sie!“ Aus seinem Verlegenheitslachen wurde eine regelrecht ordinäre und anzügliche Lache. Melanie gewann den Eindruck, dass er nicht oft mit Menschen umging.
    „Wir gingen davon aus, dass Sie uns vom Sehen kennen“, meinte Madoka. „Eine einseitige Angelegenheit übrigens, denn wir sehen Sie heute zum ersten Mal …“
    Einen Moment lang zappelten seine Finger weiter, dann erhob er sich ruckartig. Aufgeregt lief er durch das Zimmer, entfernte ein Stäubchen von seinem Monitor, das er sich zweifellos nur eingebildet hatte. Er setzte zum Sprechen an, unterbrach sich jedoch wieder. Eine Zeitlang wandte er ihnen den Rücken zu, schien aus dem Fenster zu sehen, doch plötzlich drehte er sich zu seinen beiden Besucherinnen um und sagte hektisch und abgehackt in deutscher Sprache: „Sie … es … also … wissen …“
    Melanie musste lachen. „Sie sprechen Deutsch!“
    Miura zog eine gequälte Miene und wechselte wieder zum Englischen: „Ich ein bisschen habe gelernt. Ein bisschen

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