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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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langgezogenen Raum bestand, hatte die Japanerin Melanies Blick auf einen Schaukasten gelenkt. Dort standen auf mehreren gläsernen Regalbrettern Speisenimitationen aus Kunststoff, verstaubt und von der Sonne ausgebleicht. Nudelsuppen und einfache Reisgerichte.
    „Diese Leute können den Film verlassen“, murmelte Melanie. „Damals, als ich meinen Unfall hatte, muss so etwas geschehen sein. Zu der Zeit hatten die drei den Film schon, nicht wahr? Bestimmt hat dieser Takase, dieser Techniker, irgendein Experiment durchgeführt. Der Mann, der mir auf der Straße beinahe vors Auto lief – es war einer aus dem Filmteam. Takases Maschine muss ihn freigesetzt haben, für kurze Zeit. Wahrscheinlich haben sie nicht einmal etwas davon bemerkt, denn was geschah, geschah ja nicht in Japan, sondern …“ Sie fasste sich an den Kopf. „Das ist so verrückt!“
    „Hast du großen Hunger?“, fragte Madoka. „Möchtest du etwas Pikantes?“
    Melanie sprach unbeirrt weiter: „Bei dem Aufprall gegen den Baum wurde ich fast getötet. Meine Seele löste sich vom Körper und besuchte Falkengrund – das Falkengrund in der Realität des Films.“
    Madoka führte sie an die massige Theke, wo viele Stühle standen. Zwei Männer in mittlerem Alter saßen weit hinten im Raum und betrachteten die beiden jungen Frauen mit unverhohlenem Interesse. Die Japanerin bestellte, und das ältere Ehepaar, das die Garküche betrieb, begann mit der Zubereitung vor ihren Augen. Gasflammen leckten an einem riesigen schwarzen Wok empor, den der Koch mit Leichtigkeit bewegte. Öl zischte, die Türen der Metallschränke klapperten. Gemüse wurde mit einem riesigen Messer kleingehackt.
    „Wo suchen wir jetzt weiter?“, wollte Melanie plötzlich wissen.
    „Nach dem Film? Wenn er nicht vernichtet wurde, hat ihn mein Vater“, sagte Madoka. Dass dies keine zufriedenstellende Antwort war, wusste sie wohl selbst. Sie hatten keine Ahnung, wo sich ihr Vater aufhielt.
    „Und die dritte Möglichkeit, von der Miura gesprochen hat? Die Götter, die … wie hat er sie genannt?“
    „ Kami ist das japanische Wort für die Götter des Schintoismus, unserer ursprünglichen Religion. Aber er sprach auch von schwarzen Schatten.“ Sie hob die Schultern. „Das sagt mir alles nichts. Kami gibt es in allen denkbaren Formen – sie werden als Tiere dargestellt, als Bäume, als Felsen und Wasserfälle. Als schwarze Schatten sind sie mir noch nie untergekommen.“ Sie nahm Essstäbchen aus einem Behälter. An einem Ende waren sie noch miteinander verbunden, und man musste sie erst auseinanderbrechen. Madoka erledigte das für Melanie. „Dafür werden Wälder abgeholzt“, erklärte sie beiläufig.
    „Glaubst du an diese Götter?“ Melanie schob die Stäbchen ungeschickt zwischen ihre Finger und musste sich korrigieren lassen. Die Männer, die drei Stühle weiter an derselben Theke saßen, lachten.
    Madoka dachte ungewöhnlich lange über die Frage nach ihrem Glauben nach. In der Zwischenzeit kam ihr Essen: gebratene chinesische Maultaschen als Vorspeise, und dann zwei Tellergerichte mit Reis, Fleisch und Gemüse. Melanies Gericht hatte einen einfachen Geschmack, bei dem die sparsam verwendete Sojasoße das natürliche Aroma des frischen Gemüses zur Geltung brachte. Von Madokas Teller dampfte der strenge, aber köstliche Geruch von Ingwer herüber.
    Ehe sie zu essen begann, erklärte sie: „Kein Mensch glaubt alle Mythen. Das erwartet in Japan auch niemand. Das Glauben ist nicht so wichtig wie im Christentum. Der christliche Gott verlangt, dass du glaubst – wenn du nur glaubst, kannst du dir eine Menge Dinge leisten. Hier ist es anders. So etwas wie ein Glaubensbekenntnis gibt es nicht. Die Götter wollen Opfer, sie wollen entlohnt werden, wie Kaufleute. Du bringst ihnen etwas dar, und wenn sie deinen Wunsch erfüllt haben, gehst du noch einmal zu ihrem Schrein und bedankst dich dafür, bringst vielleicht noch ein weiteres Opfer.“
    Melanie mühte sich mit den Stäbchen ab, warf sie dann weg und behalf sich mit einem Suppenlöffel, auf den sie die Teigtäschchen mit den Fingern schob. „Aber du musst doch eine Einstellung zu ihnen haben. Existieren sie, oder existieren sie nicht?“
    „Diese Frage ist nicht so wichtig. Wichtig ist, ob dir geholfen wird, wenn du mit einem Problem zu ihnen gehst.“
    „Okay.“ Melanie seufzte. „Anders gefragt: Hat es irgendetwas mit der japanischen Mythologie zu tun, was hier geschieht?“
    „Nicht im geringsten“, erwiderte

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