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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Madoka hart. „Schwarze Schatten, große Köpfe mit geweihähnlichen Auswüchsen … Hörnern vielleicht – da klingelt nichts bei mir. Ehrlich gesagt hört sich das in meinen Ohren viel mehr nach Europa an als nach Asien.“
    „Europa?“ Melanie griff nach dem Wasserglas, das Madoka ihr hingestellt hatte. Sie verzog das Gesicht. Auch dieses Wasser schmeckte nach Chlor. Es kam aus einem Trinkwasserspender – Leitungswasser. Anscheinend tranken die Japaner Leitungswasser zum Essen. Getränke hatten sie keine bestellt. „Meinst du …“ Sie unterbrach sich und fühlte, wie sich ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen ausbreitete. Es hatte nichts mit dem Wasser oder dem Essen zu tun.
    „Schwarz ist bei euch die Farbe des Bösen“, sprach Madoka es aus. „Und Hörner sind Attribute des Satans.“
    „Miura hat davon geredet, dass es mehrere waren.“
    „Dann meinetwegen Dämonen. Schöne, einfache, abgrundböse christliche Dämonen.“
    Melanie legte den Löffel auf das Holz des Tresens. „Meinst du das wirklich ernst?“
    Madoka hob die Schultern. „Es ist eine Arbeitsthese. Ich hatte noch nie mit dem zu tun, was ihr Europäer das Böse nennt. Die Hölle – Satan – so etwas gibt es in meiner Kultur nicht. Wir kennen das absolut Gute und das absolut Böse nicht. Auch die kami sind nicht einfach nur gut oder böse. Aber ich bin nicht so dumm, von vornherein alles auszuschließen, was mir nicht vertraut ist. Wir müssen alles in Betracht ziehen.“
    „Das … du …“ Melanie schüttelte den Kopf. Ihr fehlten die Worte.
    „Wenn dieser Film etwas so Einzigartiges ist, dann wäre es nicht verwunderlich, wenn Mächte der höchsten Ordnung daran interessiert wären. Vielleicht sind es keine kami – vielleicht kommen die Interessenten eher aus deiner Ecke, kulturell gesprochen …“
    Innerlich wurde Melanie ein wenig sauer. Sie mochte Madokas leichtfertiges Gerede über Satan, Dämonen und das Böse nicht. Es machte sie nervös. Die Japanerin tat so, als wäre der Teufel etwas, was man behandeln konnte wie einen Poltergeist oder einen Klabautermann. Auf Falkengrund hatte es schon so manches Gespräch über dieses Thema gegeben. Werner Hotten und Sir Darren hatten stets die Auffassung vertreten, dass es den Teufel, wie ihn die Bibel beschrieb, nicht gab, nicht geben konnte . Und falls es ihn gab, dann wollte man nichts mit ihm zu tun haben. Werner war es immer schon ein Anliegen gewesen, diese Ebene aus seiner Schule herauszuhalten. Was an Okkultismusforschung auf Falkengrund ablief, sollte nicht in Zusammenhang stehen mit Satanismus und Dämonologie. Margarete Maus war etwas anderer Meinung, und Salvatore Cavallito hielt die Existenz einer absolut bösen Gottheit nicht für ausgeschlossen, auch wenn sie seiner gelehrten Meinung nach nicht unbedingt dem Teufelsbild entsprechen musste, das sich im mittelalterlichen Europa herausgebildet hatte.
    Melanie war keine fromme, keine bibeltreue und schon gar keine bigotte Christin, doch tief in ihrem Herzen glaubte sie an die Existenz einer höheren Macht, einer Macht des Guten. Sie konnte nicht über den Teufel und seine Dämonen reden, ohne dass sich bei ihr Beklemmung einstellte, ein Gefühl, wie es einen Menschen am Rande einer abgrundtiefen, finsteren Schlucht befallen mag. Eine Art seelisches Schwindelgefühl.
    Ein höchst unangenehmer Gedanke machte sich in ihr breit: Wenn die Vermutung korrekt war, dass Madokas Vater den Film hatte, und wenn es außerdem stimmte, dass gehörnte schwarze Schatten hinter dem Film her waren – würden sie sich dann nicht mit einer furchtbaren Macht anlegen, wenn sie versuchten, das Zelluloid zu finden und zurück nach Falkengrund zu bringen?
    Mit der Macht der Hölle?
    Es gab wenig, wovor Melanie sich fürchtete. Das absolute Böse gehörte zu diesen Dingen. Sie war ihm nie begegnet, diesem Bösen, doch sie hatte keinen Grund anzunehmen, dass es deswegen nicht existierte. Und falls es existierte, dann …
    „German?“
    Die Stimme unterbrach ihren Gedankengang. Einer der beiden Männer war aufgestanden und hatte sich ihr genähert. Nun stand er direkt hinter Melanie. Offenbar hatte er die Sprache erkannt, in der sich die beiden unterhielten, und wollte sich vergewissern, ob er recht hatte. Melanie hätte ihn gerne ignoriert, doch Madoka sagte: „Gib ihm eine Antwort. Alles andere wäre unhöflich. Keine Angst, Japaner sind sehr aufgeschlossen Fremden gegenüber.“
    „Das habe ich am Flughafen gemerkt“, brummte die Rothaarige.

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