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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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noch Kriminalhauptkommissar gewesen war.
    Die Lippen hatten nichts dagegen. Frederike drückte die Tasten, hörte, sprach: »Bruno? Bruno? … Ja doch, wart ab … Sie wollen fünf Millionen, ein Auto und freies Geleit … sage ich ihnen …«
    »Und zacki, zacki! Die Zeit läuft. Um viere ist die nächste Geisel fällig!« Der Kleine hatte sich vom Fenster zu ihnen begeben. »Um viere wird hier geschossen, wir kennen dann kein Pardon.«
    »Sie sagen, bis vier habt ihr Zeit. Dann wird hier drinnen wieder geschossen …«
    »Genügt! Mehr muss jetzt nicht sein!« Der Kleine winkte hektisch ab. »Schluss jetzt mit dem Gequatsche. Dein Mann weiß alles, was nötig ist, um die Sache hier zu beenden. Muss er nur noch den Bullen sagen.«
    »Ich soll auflegen?«
    »Was denn sonst? Und sag ihnen, wir melden uns wieder!« Er gab Frederike ein endgültiges Zeichen. Sie tat es, denn der Kleine kam mit seiner Pistole auf sie zu. »Du quatschst eh schon zu viel, blöde Schlampe.« Frederike schob ihm einfach ein Glas Wodka Red Bull in die Hand. Er nahm es, ohne sie aus den Augen zu lassen. Das Handy hatte Frederike noch in ihrer Hand.
    Die dicken Lippen mischten sich ins Gespräch: »Ruf noch mal an!«
    Frederike nickte und griff hastig zum Handy. »Was soll ich sagen?«
    »Um dreie, sagste, um dreie ist Schluss, nicht um viere. In zwei Stunden stehen sie mit Geldkoffer und Auto hier vor der Tür, sonst knallt’s!«
    »Das sind keine zwei Stunden!«, sagte Kain verblüfft. »Das ist nicht zu schaffen!«
    Die Lippen zuckten mit den Schultern. Im Kerzenlicht glänzte matt die Pistole.

2:40
     
    »Siebenhundertfünfzigtausend hat man zugesagt.«
    »Keine dreihunderttausend haben wir hier.«
    »Wir müssen nachverhandeln, den Zeitpunkt der Übergabe verschieben. Die drinnen müssen ein Einsehen haben.«
    »Sie werden schießen. Eine Tote haben wir schon.«
    »Das Mädchen lebt noch, so die letzte Meldung.«
    »Fünf Millionen, woher sollen die kommen? Wir klingeln schon jeden Bankdirektor raus aus seinem Bett, aber Millionen haben die nicht in ihren Kellern.«
    »Du kannst es ja mal bei der Landesbank versuchen.« Der Scherz von Michalk wirkte bemüht. Wegen Fehlspekulationen war die sächsische Erfolgsgeschichte jäh gescheitert. Die Konkursmasse war in Baden-Württemberg aufgekauft worden. Sachsen bürgte dennoch für Milliarden.
    »Die haben ihre Millionen verspielt.«
    »Hier würden sie Menschen retten. Direkt. Was hat man für andere Geiseln gezahlt?«
    Keiner antwortete. Es folgte eine Stille, in der jeder seinen Gedanken nachhing.
    »Grüß Gott, die Herrschaften!« Die Stimme Konstantin Mierschs platzte ins Schweigen. Genauso hatte er sich die Überraschung vorgestellt. Minuten hatte er ihrem Gespräch gelauscht, sie hatten ihn nicht kommen gehört. Agnes Schabowski schaute mit einem gedemütigten Blick in seine Richtung. Michalk verschluckte sich am Kaffee. Die Grußformeln der anwesenden Kollegen waren kaum zu verstehen. Einige hatten nicht einmal genickt. Einzig der Pensionär Ehrlicher kam auf ihn zu und sagte: »Guten Morgen, Herr Direktor.« Miersch überhörte die Ironie.
    Offensichtlich hatte keiner mit seinem Erscheinen gerechnet. Das las Miersch in ihren Gesichtern. Sie hatten ihn übergangen. Einen Direktor benachrichtigt niemand außerhalb seiner Dienstzeit. Es sei denn, es brennt. Und es brannte hier. Lichterloh brannte es. Trotzdem hatte niemand die Befehlswege eingehalten und ihm Mitteilung über die Kapitalverbrechen Mord, Geiselnahme, Millionenerpressung erstattet. Auch Agnes Schabowski hatte geschwiegen. Sie leitete diesen Einsatz, wollte sicher sein Vertrauen rechtfertigen und es ihm und allen Kollegen beweisen. Agnes Schabowski war auf der Karriereleiter noch nicht am Ende. Sie wollte höher hinaus. Und sie würde es schaffen. Miersch war sich sicher. In stillen Stunden nannte er sie mein Mädchen. Trotzdem musste er sie rügen, über solche Extremsituationen hatte jeder Chef informiert zu werden. Und er wäre wahrscheinlich nicht einmal das Ende dieser Befehlskette: Polizeipräsident, Bürgermeister, Landeschef …
    Konstantin Miersch hatte mit einem Rotwein allein vorm schwachsinnigen Fernsehprogramm gesessen. Dann hatte das Telefon geklingelt. 1 Uhr 30.
    Joseph Hönig war am Apparat: Diskokrieg – Geiselnahme – Tote – und wo bleiben Sie? Leipzigs Kriminalreporter log nicht. Das erkannte Miersch an seinem Ton. Seit Monaten bestimmten die Fehden unter Betreibern und Wachschutz die Schlagzeilen.

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