Frederikes Hoellenfahrt
treten«, brüllte der Kleine. Kain hatte beobachtet, dass er dem Geschehen ungläubig folgte und seinen Kumpel nicht mehr verstand. »Geld, Auto, und weg hier. Ich will endlich fort!«
»Wer hat uns denn in diese Situation gebracht, Arschloch! Alles hätte so einfach gehn können und du schießt ihn ab!«
Diese Tat war nicht geplant, dachte Kain. Die Masken waren auf der Flucht und kamen nicht weiter. Einen Mord hatten sie offenbar bereits begangen. Sie hatten nicht viel zu verlieren. Die Situation der Geiseln hier war ungewiss, sie waren ein Pfand, das der Zufall den Masken in die Hand gespielt hatte. Sie würden weiter ohne Strategie spielen. Isabell musste nicht das einzige Opfer bleiben, es konnten auch mehr werden. Zwanzig Geiseln lagen im Waschsalon auf dem Boden.
Jetzt griffen auch die dicken Lippen zum Wasser, tranken hastig und schnell. Tropfen glitten am Latex herab. Frederikes Strategie mit dem Alkohol schien gescheitert. Die Maske mit den Lippen wollte augenscheinlich einen kühlen Kopf bewahren und nahm noch einen Schluck.
Der Kleine dagegen redete sich in Rage. Seine Stimme kippte fast über. »Von wegen genialer Plan, selbst für Idioten! Lebend wären wir dort nicht wieder herausgekommen. Du hast es gesehen!«
»Halt deine Schnauze!«
Der Kleine verstummte.
Einer der Geiseln entglitt die Flasche. Noch eine Wasserlache breitete sich auf dem Fußboden aus. Die nass wurden, beschwerten sich nicht.
»Warum meldet sich keiner?« Der Kleine schien zu verzweifeln. »Ich will hier weg!«
»Das wollen wir alle. Wir müssen abwarten.« Kain versuchte, die Lage zu entspannen. Aber die Nerven der Kidnapper waren zum Zerreißen gespannt. Der Kleine trommelte erst gegen die Wand, schlich sich dann durch den Raum und drückte die Rollläden auseinander, um aus dem Fenster zu spähen. Links, rechts, links und wieder rechts. Keiner draußen schien es zu bemerken. Warum nahm niemand Kontakt mit den Masken auf? Die rasteten aus, wenn nicht bald was geschah.
»Noch drei Minuten, dann ist die nächste Geisel hier fällig.« Die Lippen teilten es ihnen emotionslos mit. Kain erschrak. Drei Minuten! »Halten die uns da draußen für völlig bekloppt? Wir spaßen nicht!«
»Das werden sie begriffen haben.« Kain fand keine Erklärung, warum sich niemand im Waschsalon meldete. Vorher hat doch das Telefon auch endlos geklingelt. Die vor der Tür mussten doch den Ernst der Lage erkannt haben, erst recht, seit Isabell ihnen schwerverletzt vor die Füße gelegt worden war. Es blieb weiterhin still. Nur eine der Geiseln wimmerte leise. Kain hatte keine Uhr, aber er glaubte einen Sekundenzeiger rennen zu sehen. Sechsundfünfzig. Siebenundfünfzig. Drei Minuten! Die dicken Lippen spannten die Waffe.
»Gehen Sie raus und sagen Sie ihnen selbst, was Sie wollen«, sprach eine der Geiseln, »vielleicht hat es der alte Mann vergessen.« Es war ein Mann, keine dreißig, mit Strähnchen im Haar. »Bitte, warten Sie ab. Mord ist keine Lösung!«
»Mord ist keine Lösung! Biste blöd oder was!«, sagten die Lippen. »Lass das Schleimen, ich weiß, was ich tu!«
Der Kleine stand noch immer am Fenster. »Da tut sich nichts. Überhaupt nichts tut sich da draußen! Die nehmen uns nicht für voll. Die opfern lieber die Geiseln, als uns fünf Millionen zu zahlen!«
»Zwei Minuten haben sie noch!«
»Wir warten über eine halbe Stunde. Und nichts. Gar nichts. Vielleicht denken die, es ist ein Film.«
»Denken sie nicht.« Kain versuchte, die Panik der beiden zu dämmen. Sie durften den Kopf nicht verlieren und noch irrationaler handeln. Er musste beruhigen. »Vielleicht versuchen sie bereits, das Geld aufzutreiben.«
»Dann könnten sie uns es doch sagen.« Da hatte die Maske zweifellos recht.
»Fragt selber bei ihnen nach.« Kain deutete mit seinem Kopf auf Frederike. »Mit ihrem Mann habt ihr doch bereits gesprochen. Fragt ihn.« War Ehrlicher wirklich am Tatort? Kain erinnerte sich, dass die Maske das Gespräch mit einer Kommissarin abgelehnt hatte. Ehrlicher musste vor dem Waschsalon stehen! Hätte er sonst angerufen? Er wusste, dass sie Gefangene waren. Er würde alles tun, um zu helfen. Ehrlicher stand vorm Waschsalon, da war sich Kain sicher.
Frederike schob ihr Handy zu der Maske mit Lippen über die Theke. »Im Telefonbuch auf Speicherplatz eins.«
»Damit die mich später an meiner Stimme erkennen!«
»Soll ich?« Frederike reagierte erstaunlich fix und gelassen. Wahrscheinlich hatte sie einiges gelernt, als Bruno
Weitere Kostenlose Bücher