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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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Pistole über die Wangen. Gleich würde sie noch einmal zuschlagen. »Noch nicht genug vom Helden spielen?« Die Pistole schabte über seine Stoppeln. Spiel mir das Lied vom Tod. Der Laut machte Angst.
    Kain suchte den Blickkontakt. »Was soll das Ganze? Ihr kommt hier nicht raus. Wenn ihr jetzt aufgebt, habt ihr vielleicht noch eine Chance auf Gnade. Wenn nicht …« Die Pistole kratzte noch immer, so als ob sie ihn rasierte.
    »Begreifst du nicht? Wir haben nichts zu verlieren.« Die Rasur war beendet.
    »Doch«, sagte Kain und schluckte zähflüssigen Schleim. Es ekelte ihn, aber er wollte ihnen sein Blut nicht vor die Füße rotzen. Die Masken hätten das nur als Provokation verstehen können.
    Frederike drückte sich an ihm vorbei und nahm ihren Platz hinter der Theke wieder ein. Sie mixte den Gangstern Wodka Red Bull. Die dicken Lippen schluckten den Drink in einem Zug. Frederike füllte wortlos ein nächstes Glas mit reichlich Wodka, Red Bull vergaß sie. Vielleicht wollte sie die Gangster durch Alkohol ausschalten?
    »Lassen Sie mich bitte drei Schritte gehen! Ich kann nicht mehr liegen!« Es war eine Frau Mitte fünfzig. Sie lag wie ein gestrandeter Walfisch im Waschsalon. Kain vermutete mindestens vierzig Kilo Übergewicht. »Bitte!« Die Stimme flehte. »Ich haue nicht ab! Bitte! Drei Schritte! Ich habe Thrombose.« Auch andere Geiseln fassten Mut. Tabletten und Spritzen und kranke Kinder wurden als Begründungen genannt, den Raum unbedingt verlassen zu müssen.
    Die Maske nahm jeden Einzelnen ins Visier. Die zweite tat es den dicken Lippen nach. »Schnauze! Bleibt liegen!« Alle Augen senkten sich wieder. Alle Hoffnung der Geiseln war wieder verschwunden. Die Masken lachten: »Ist bald vorbei, wenn die Polizei unsere Forderungen erfüllt. Keine Angst, ihr seid nur eine Art Rückversicherung, falls sie nicht zahlen.«
    »Das werden sie nicht.«
    »Bist ein ganz Schlauer, wie?« Damit hielten die Lippen Kain die Pistole wieder unter das Kinn und schoben seinen Kopf immer weiter in den Nacken.
    »Überleg doch. Es ist eins in der Nacht. Fünf Millionen, wer soll denn um diese Zeit so viel Geld auftreiben?«
    »In Krisenzeiten hat man den Banken in einer Nacht siebenhundert Millionen versprochen. Keine Stunde haben die darüber nachdenken müssen. Siebenhundert Millionen.«
    »Aber sie haben sie nicht gezahlt, zumindest nicht sofort.« Kain sprach, ohne zu denken. Er musste sie in Gespräche verwickeln. Das verhinderte ein Handeln der Gangster aus Affekt. Wie oft erfuhr man von Selbstmördern, die von Dächern, Kränen und Brücken durch Worte ins Leben zurückgeholt wurden. Wie viele Entführungen waren so glücklich beendet worden? Vielleicht konnte Kain auf diese Weise die nächsten Schüsse, einen weiteren Verletzten verhindern. Frederike mixte bereits neue Gläser Wodka Red Bull. Kain hoffte, dass die Masken im Suff nicht noch aggressiver wurden und bat um ein Glas Wasser. »Und vielleicht brauchen noch andere im Raum etwas zu trinken.«
    »Schnauze!« Nach kurzer Pause: »Der Alte ist doch längst draußen, warum meldet sich keiner?«
    »Das ist noch keine fünf Minuten her«, sagte Frederike und ging mit einem Mineralwasser auf Kain zu. »Darf ich?« Ohne die Reaktion abzuwarten, hielt Frederike ihm das Glas an den Mund. Kain trank und spülte die Zähne.
    Sie hatten recht, warum meldete sich keiner? Fünf Minuten ist eine lange Zeit, dachte Kain. Sie wussten doch draußen, dass hier zwanzig Geiseln lagen. Sie müssen ein Zeichen des Verhandeins setzen. Warum rief keiner an? Der Alte musste doch den Polizisten, irgendeinem musste er doch von den Forderungen erzählt haben. Aber die da draußen schwiegen. Kein Telefon klingelte. Kein Megafon wurde in Stellung gebracht. Nur die Lichter vorm Fenster schienen immer mehr zu werden.
    »Wem soll ich Wasser bringen?« Frederike spielte die Samariterin, setzte sich über die Befehle der Masken einfach hinweg, und die widersprachen ihr nicht. Mehrere hoben ihre Hände, einige drehten sich dazu auf die Seite. Frederike zählte und gab wieder auf. Sie entnahm dem Kühlfach acht Flaschen und klemmte sie sich unter die Arme. Dann stellte sie Flasche um Flasche zwischen die Geiseln. Die griffen danach, tranken, verschluckten sich, husteten. Frederike kam wieder zurück. Zu den dicken Lippen sagte sie: »Lassen Sie sie hier nicht unnötig leiden. Und wenn Sie alle erschießen, bekommen Sie weder Millionen noch Auto.«
    »Lass dir von der Alten nicht auf der Nase rum

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