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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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einem Vergrößerungsglas. Das Opfer ist eine Person, die zerstört wird!
    Die Täter ließen sich nicht eindeutig einordnen. Für erpresserische Entführung fand Kain keine Bestätigung und zog erneut an dem Klebeband, das ihn festschnürte. Er riss nur Haare aus. Politisch motivierte Geiselnahme? Dein Bruder lebt im Kosovo. Kain sah verfeindete Volksgruppen sich bekämpfen. Zerstörte Häuser. Bomben. Lager. Politische Geiselnahmen dienten politischen Zielen und waren geplant. Nein, Kain schloss eine politische Geiselnahme aus. Am ehesten glich diese Geiselnahme der eines Bankraubs. Falldarstellungen bezeichnen Geiselnehmer als fortgeschrittene Räuber, mit denen sie in Wesen und Verhalten vieles gemein haben. Vielleicht war der Stürmung des Waschsalons eine andere Straftat vorausgegangen. Die Täter sahen keine andere Fluchtmöglichkeit, als sich hier zu verschanzen. Sie hatten verhandelt und eine Million erpresst. Sie hatten ein Fluchtauto verlangt. Die Polizei hatte ihre Forderungen erfüllt. Bald war dieser Spuk hoffentlich vorbei.
    Der Kleine stand noch immer am Fenster und spähte hinaus. »Ich sehe kein Auto.« Er wendete sich zu Kain. »Lügner! Soll es dir gehen wie deiner Kollegin?«
    Meinte die Maske Frederike oder Isabell? Lebte Isabell noch? Würde Frederike am Leben bleiben? Kosovo – die Masken wollten in den Kosovo fliehen. Die beiden sprachen astreines Deutsch. Die Grammatik hakte nicht. Jugendslang. Sie waren in Deutschland aufgewachsen oder sie lebten seit ihrer Jugend hier. Kosovo. Kain sah zerstörte Häuser. Barmende Witwen. Kinder mit großen Augen, die das Elend der Welt bereits kennengelernt hatten. Die Polizei würde den Masken die Flucht dorthin unmöglich machen. Sie würden mit allen erdenklichen Fallen und Tricks versuchen, ihre Fahrt zu beenden. Es sind immer zwei Geiseln, mit denen Kidnapper fliehen. Es war seine Pflicht als Polizist, sich den Kidnappern anzubieten. Die Kollegen da draußen würden umsichtig handeln. Kain war geschult, er geriet nicht in Panik. Er lechzte nach Wasser. Aber Frederike war zum Bedienen nicht fähig. Ihr Gesicht war weiß. Ihre Nasenflügel bebten. Falten fürchten ihr tief um den Mund. Ihre Lider flackerten.
    Frederikes Handy klingelte. Die Granaten schlugen ein, das Kinderlied sang. Eigenartiger Klingelton, dachte Kain wieder einmal. Frederike kam zu sich. Die Lippen bedeuteten ihr mit der Pistole, zu telefonieren.
    »Ja, bitte?« So förmlich wie sie sich jetzt meldete, hatte sie vorhin tatsächlich nicht mit Bruno gesprochen. Wer leitete diesen Einsatz dort draußen? Begriffen die vor der Tür nicht, dass es hier um das Leben von zwanzig Geiseln ging? Kein Amoktäter in Deutschland hatte so viele Menschen auf dem Gewissen. Kain wollte nicht als Opfer in die Kriminalgeschichte eingehen.
    »Ja, Bruno, ja.« Frederike sagte den Lippen: »Sie fahren den Wagen jetzt vor. Mein Mann sitzt am Steuer. Er möchte, dass Sie uns freilassen. Alle. Er bietet sich Ihnen zum Austausch.«
    Auch Bruno handelte wie jeder Polizist in dieser Situation. Zuerst das Leben der Geiseln, dann das eigene!
    Die dicken Lippen schüttelten den Kopf. »Kommt er allein?«
    Frederike nickte.
    »Wann ist er hier?«
    »3 Uhr 30.« Frederike blickte auf ihre Armbanduhr. »Einundzwanzig ist es bei mir.«
    »Ist gut«, sagten die Lippen, »Gespräch beendet.«
    »Bruno sagt, in acht Minuten.« Frederike wollte die Verbindung nicht trennen.
    Die Lippen gaben mit der Pistole ein eindeutiges Zeichen. »Schluss jetzt!«
    Frederikes Stimme überschlug sich. »Ich liebe dich, Bruno! Ich liebe dich!« Als sie auflegte, huschte ein kleines Lächeln über ihr Gesicht. Bruno hatte die richtigen Worte getroffen.
    Ihre Gefühle offen zu zeigen hatten sowohl Frederike als auch Bruno immer vermieden. Das ist eine Extremsituation, dachte Kain. Die dicken Lippen ließen Frederike keinen Moment aus den Augen, den Finger am Abzug. Ein Zehntel Millimeter genügte, dann würde sich der Schuss lösen, dann wäre alles vorbei. In solchen Augenblicken sagt jeder die Wahrheit.
    Kain zerrte an seinen Fesseln. Das Klebeband hatte sich zu scharfen Stricken gerollt. Reißen würden sie nie. Acht Minuten waren nicht lang. Sie wurden zur Qual. Die Kidnapper trafen keine Entscheidung, wer mit ihnen fuhr. Sie warteten ab. Der Kleine beobachtete vom Fenster aus weiter die Straße. Die dicken Lippen blickten über die am Boden Liegenden. Die Pistole war auf Frederike gerichtet. Sie hielt ihr Handy fest in der

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