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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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Schabowski diesen Job hier nicht zutraute. Auch Ehrlicher hätte diesen spektakulären und gefährlichen Fall nicht ihr, sondern einem Kollegen mit Erfahrung und dreißig Dienstjahren überlassen. Agnes Schabowski hatte den Leitungsposten noch kein Jahr inne und geriet nun zum zweiten Mal an den pensionierten Kommissar. Sie sah wieder zu Miersch. »Die Aussagen dieser Zeugen widersprechen sich in wesentlichen Dingen, daraus können wir keine verwertbare Täterbeschreibung basteln.«
    »Mit etwas Abstand sehen Augenzeugen auch klarer, haben sich das Geschehen noch mal vor Augen geführt, ihre Angst ist verflogen. Befragen Sie sie noch einmal.«
    »Ich bin hier nicht erforderlich, soll das heißen.«
    »Frau Kollegin, zwei Fälle, zwei Leiter. Ich übernehme die Geiselnahme.«
    Es fehlte noch, dass Miersch ihr kumpelhaft die Schulter klopfte. Sie fühlte sich wie ein geohrfeigtes Kind, das nicht wusste, warum man es geschlagen hatte. Agnes Schabowski unterstellte dem Direktor in ihrer Wut Allmachtsstreben und Publicity-Geilheit. Konstantin Miersch war etwas kleiner als sie, führte die Kriminalpolizei Leipzigs mit straffer Hand, und ein Drang, vor Kameras und Mikrofone zu treten war ihm nicht abzusprechen. Ja, zwanzig Geiseln brachten Schlagzeilen. Vielleicht auch solche, die ein Polizeidirektor nicht allzu gern las. Agnes Schabowski konnte beinah seine Reaktionen nachvollziehen. Konstantin Miersch war der Direktor und musste bei einer Geiselnahme vor Ort sein. Sie hätte ihn in der ersten ruhigen Minute verständigt. Es war ihre Pflicht. Der Direktor musste die Verantwortung tragen. Gut, sie würde die Zeugen im BARocko befragen. Falsch war Mierschs Befehl nicht, es war nicht auszuschließen, dass sie neue Details erfuhr. Aber so einfach der Leitung enthoben, das stieß ihr auf, das war bitter. Und wer überhaupt hatte Miersch informiert?
    »Frau Kollegin!« Miersch nahm sie tatsächlich onkelhaft zur Seite, sah vielleicht seine Unverschämtheit ein. »Wir müssen davon ausgehen, dass es sich hierbei um eine Eskalation des sogenannten Diskokriegs handelt.« Agnes Schabowski kam sich vor, als wäre sie soeben durch das Examen gefallen. Das wusste sie doch alles. Er dozierte weiter: »Viele der in diesen Streit involvierten Gesichter sind uns bekannt. Vielleicht erkennen sie die Zeugen wieder. Zeigen Sie ihnen die Bilder. Wir müssen wissen, wer unter den Masken steckt.« Miersch deutete auf den Waschsalon.
    Agnes Schabowski stellte die Frage, die sie stellen musste: »Wer hat Sie überhaupt über diese Geiselnahme informiert? Ich habe es nicht, und auch keiner aus meinem Team.« Sie blickte die Kollegen auffordernd an und hoffte, dass ihr niemand im Raum widersprach.
    Konstantin Miersch blickte auf seine Schuhspitzen und drehte die Füße wie ein Balletttänzer in einem sehr weiten Winkel. Dann sagte er leise: »Joseph Hönig.«
    Agnes Schabowski war nicht wirklich überrascht, diesen Namen zu hören. »Ach ja.« Hönig, der Sensationsreporter war bei ihr abgeblitzt und hatte sofort den Chef informiert. Mistkerl! In die Kehle stieg ihr ein Lachen. Sie räusperte sich.
    »Frau Kollegin, ich kann Ihre Wut verstehen, aber Sie haben bereits im BARocko die Untersuchung geleitet. Sie kennen die Umstände. Sie wissen, was auf dem Spiel steht. Zwanzig Geiseln. Befragen sie die Zeugen noch einmal. Vielleicht haben wir die Täter in unserer Kartei.« Agnes Schabowski war nun von Miersch’ Argumenten überzeugt.
    »Herr Direktor, die Zeit läuft!« Der Chef des SEK drängte. Ehrlicher nahm es als Aufforderung, dem Einsatzleiter in Schussweste zu folgen. In seiner Haut mochte Agnes Schabowski auch nicht stecken. Sie dachte an Paul, ihren Sohn. Es wäre unerträglich, ihn in fremder Gewalt zu wissen.
    »Tun Sie, was notwendig ist. Dazu brauchen Sie mich nicht.« Miersch stellte seinen rechten Schuh auf die Spitze des linken. Der SEK-Leiter und Ehrlicher verließen das Suppengrün. Der Direktor ging hinterher, drehte sich aber noch einmal zu Agnes Schabowski um: »Die kleinste Kleinigkeit ist von Bedeutung, Frau Kollegin. Wir müssen wissen, wer unter den Masken steckt.« Dann war auch er weg.
    Agnes Schabowski packte ihre Sachen. Das Kunstlicht vorm Fenster wurde noch heller. Die Fernsehteams würden gute Bilder bekommen. Leipzig würde morgen in den Schlagzeilen sein. Stadt der Gewalt. Mafiakrieg. Was ist ein Menschenleben wert? Brisant, Explosiv, ein ARD-Brennpunkt würden darüber berichten.
    Agnes Schabowski hoffte, dass die

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