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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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Kleine würde bei Gefahr abdrücken. Frederike wäre tot. Er vielleicht auch. Also stürmte niemand, nichts geschah hier auf der Straße, um sie beide zu retten. Die Einsatzkräfte gaben ihnen wie einer Regierungsdelegation den Weg frei. Sie standen am Wege. Kain gab mehr Gas. Der Wagen schoss zur Mitte der Fahrbahn. Die Gesichter an der Straße wurden zu farbigen Punkten.
    »Ring rechts. B2 grade drauf.«
    Kain fuhr die Gottschedstraße Richtung City, bog an der Thomaskirche auf den Innenstadtring. Links Neues Rathaus. Rechts Reichsgericht. Die Straßen waren ohne Verkehr. Es machte den Eindruck, als hätte man für sie die Straßen geräumt, als wären sie hohe Politiker auf Staatsbesuch.
    Die Fernverkehrsstraße war zweispurig, Stadtautobahn. »Jetzt aber Vollgas!«, forderten die Lippen. Kain hielt sich daran.
    »Ist der Tank eigentlich voll?«
    Kain blickte zur Anzeige. »Ja.«
    Die Lippen nickten, ohne die Pistole von seinem Kopf fortzubewegen. »Zentralverriegelung.« Kain drückte die Taste, sie rastete ein. »Nicht, dass du und die Schöne dahinten einfach abhaut. Wär schade.« Er lächelte Frederike über die Lehne hin an.
    Frederike erweckte den Eindruck, als würde sie schlafen. Sie reagierte nicht. Den Kasten auf ihren Knien umklammerte sie wie ein Kind.
    Auch bei Kain machte sich die Anspannung der letzten Stunden bemerkbar. Mehr als fünf Stunden befanden sie sich in der Gewalt der Geiselgangster. Er hatte früh am Morgen Felix zur Schule gefahren. Eva hatte sich mit einem Kuss von ihm verabschiedet und ihn gebeten, den Wochenendeinkauf zu besorgen. Er hatte den Vormittag frei gehabt und alles erledigt.
    Kain raste Richtung Leipziger Dreieck und stellte sich vor, wie Eva reagierte, wenn sie von seiner Entführung erfuhr. Kain sah sie weinen und flehen. Wahrscheinlich aber würde Eva das keinem glauben. Geisel auf der Flucht?
    Kain pulsierten die Hände. Unerträglich. Er rieb sie am Lenkrad. Das verstärkte den Schmerz. Sein Bewusstsein war überwach. Die Fugen der Betonplatten ruckten wie alte Eisenbahnschwellen.
    Ein Blick in den Rückspiegel zeigte sehr weit hinter ihnen Scheinwerfer nachfolgender Autos. Aber Kain konnte sich täuschen. Sie waren allein. Er glaubte über sich einen Motor zu hören. Hubschrauber. Ja, sie hatten einen Hubschrauber im Einsatz. Natürlich, sie würden alles versuchen, ihr Leben zu retten. Er vertraute seinen Kollegen.
    Goethesteig. Markkleeberg. Chemnitz dreiundachtzig Kilometer. Kain sah die Autobahnbrücke. Er sah die Tagebaubagger. Er roch die Seen. Er setzte den Blinker. Die Autobahn lag vor ihnen. Endlos.
    »Hinter uns keine Bullen«, sagte der Kleine. »Was soll noch schief gehen?«
    »Halt einfach dein Maul!« Die Lippen nahmen endlich die Pistole von Kains Stirn. »Mach keinen Scheiß!«, und zu allen: »Gibt es in diesem Ding einen Atlas?«
    Kain sah ins Fach seiner Tür, auf die Mittelkonsole. Nichts.
    »Ich kenne die Strecke.« Der Kleine sprach stolz.
    »Du Arschloch hast auch gesagt, ist alles ganz einfach. Tresor aufgeschlossen, Geld raus und weg. Und jetzt schau, in welcher Scheiße wir sitzen!«
    »Fahren«, sagte Frederike. »Wir fahren.«

3:50
     
    »Da fahren sie hin.«
    »Sollte ich den Laden stürmen? Die Geiseln sind Ihnen wohl egal, Michalk?« Konstantin Miersch war zum Zuschauen verdammt. Er hatte Frederike gesehen, die totenbleich das Auto bestieg. Er sah Kain, der keinen Blick für seine Umwelt hatte. Konzentriert befolgte er alle Befehle der Masken. Miersch hatte gehofft, dass er von ihm ein Zeichen erhalten würde. Kain war lang genug Polizist, vielleicht wusste der einen Weg, um die Geiselnahme zu beenden. Er hatte unmittelbaren Kontakt mit den Tätern. Kain gab kein Zeichen. Natürlich konnte Kain ihnen nicht helfen. Und sie kannten die Pläne und Strategien der Geiselnehmer nicht, konnten nicht reagieren. Miersch war machtlos und wütend. Doch er riss sich zusammen: »Michalk, Sie kümmern sich mit den Kollegen um die Überwachung des Fahrzeugs. Wir dürfen sie nicht verlieren. Und halten mich auf dem Laufenden, verstanden?«
    »Verstanden!«
    Miersch wurde leiser: »Irgendein Ziel müssen die haben. Erst dann können wir über den Einsatz unserer Kräfte beraten.«
    »Sie sind in den Innenstadtring rechts eingebogen. Richtung Süden.«
    »So schnell sind keine Sperren errichtet. Außerdem gefährden wir damit das Leben der Geiseln.« Miersch holte Luft. Diese Nacht forderte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte. »Michalk, arbeiten

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