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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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Geiseln ohne Verletzungen befreit werden konnte.
    Kaum ein anderer grüßte den Direktor zurück. Die meisten hatten ihn bereits gesehen, saßen seit fünf Stunden an Telefonen und recherchierten. Sie taten ihre Arbeit. Die Verfolgung des roten VWs war organisiert, die Kräfte penibel eingewiesen. Sie würden alles ihnen Mögliche tun, um das Leben der letzten zwei Geiseln zu retten. Noch dazu war eine davon ein Kollege. Zumindest war Kain Kollege gewesen. Viele kannten ihn aus der gemeinsamen Arbeit. Miersch spürte, dass sie persönlich mit ihm fühlten. Dass Hauptkommissar a. D. Kain so viele Sympathien genoss, war dem Direktor nie aufgefallen. Warum nur hatte Kain so plötzlich das Handtuch geworfen und gekündigt? Kain war ein guter Polizist gewesen. Er wäre es wieder.
    Kommissar Dominic Bleicher informierte. »Wir können uns vor Anrufen kaum retten.« Das Ereignis hatte sich im nächtlichen Leipzig herumgesprochen. Neugierige hatten ausgeharrt und auf Action gewartet. Sie waren enttäuscht und zerstreuten sich nach der Abfahrt der Täter.
    »Besorgte Mütter fragen, ob sich ihre Kinder unter den Geiseln befinden.« Bleicher sprach Stakkato. Miersch musste sich konzentrieren.
    »Die Geiseln sind frei. Eine Namensliste wird es gleich geben. Wenden Sie sich an Frau Petersen, Seelsorgerin.« Ein bisschen empfand Miersch diesen Hinweis für Bleicher als Retourkutsche für das sehr forsche Auftreten dieser Kollegin. Bleicher würde ihr auf den Nerv gehen müssen. Miersch wusste nicht, warum er sich über Petersen, Yvonne Petersen, ärgerte. Sie hatte ihre Pflichten erfüllt, ihm nichts getan.
    »Die Presse ruft minütlich hier an. Und es ist nicht nur Herr Hönig am Apparat. Es gibt sogar von amerikanischen TV-Stationen Akkreditierungswünsche.«
    Miersch war nicht wirklich überrascht, nur über die Schnelle der Presseanfragen. »Ja und?« Solch ein Verbrechen zog weltweite Aufmerksamkeit auf sich. Gladbeck. Erfurt. Mügeln. Mölln. Nach drei Tagen hatte die Öffentlichkeit das Interesse verloren, waren die Toten vergessen und im Archiv abgelegt. Aber zunächst einmal mussten die Medien reagieren.
    »Wir müssen eine Pressekonferenz einberufen«, stellte Bleicher sachlich fest.
    »Morgens um vier?«
    »Wenn wir damit warten, wird uns das als Schwäche ausgelegt. Verschweigen hilft nicht. Die ersten Live-Bilder sind im Netz aufgetaucht. Bald werden sie auch auf jedem Radio- und TV-Sender laufen. Wir müssen, Herr Direktor …«
    »Wir müssen … Wir müssen zunächst das Leben der zwei Geiseln retten.« Miersch wusste nicht genau, welche Medienkampagne jetzt auf ihn zurollte. Aber er war gewappnet, hatte schon oftmals Rede und Antwort gestanden. Die Presse war im Regelfall kein Problem. Das Problem war die Geiselnahme, die Flucht, die Schwierigkeit, sie zu beenden. Alle verfügbaren Kräfte musste Miersch bündeln. Geschlossen mussten sie auftreten. Vor allem: Es musste schnellstmöglich vorbei sein. Am besten sofort. »Wo befinden sie sich jetzt?«
    »A 14. Richtung Dresden«, sagte Kowalski.
    Miersch dachte kaum nach. »Danach ist Deutschland zu Ende.«
    »Wir nehmen an, dass sie über die Grenze fliehen wollen. Nach Polen. Tschechien.«
    »Ja.« Miersch sah sich im Raum um und bat um einen Pfefferminztee.
    »Sofort, Herr Direktor!« Selbst die Bedienung kannte seine Funktion. Bald würde sein Gesicht über alle Bildschirme flimmern. Wenn die Kidnapper tatsächlich über die Grenze fuhren, war die Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden im Ausland unumgänglich. Er sah Heerscharen von Dolmetschern den Büroraum bevölkern, sah sie an den Apparaten hängen: Sto? Otkuda? What? Skolko? Quoi? Das Suppengrün war als Schaltzentrale und Hauptquartier zu klein und ungeeignet. »Brechen wir die Zelte hier ab. Die Geiselnehmer sind weg. Das Präsidium bietet mehr Platz und bessere technische Möglichkeiten.«
    Ohne zu murren, begannen sie ihre Sachen zu packen.
    »Michalk, Sie leiten die Ermittlungen hier weiter vor Ort.«
    »Zu Befehl«, antwortete Michalk ironisch.
    »Und was sag ich der Presse?«, drängte Bleicher. Er wirkte wie eine aufgezogene Puppe. Miersch musste ihn bremsen.
    »Nichts. In zwei Stunden stehe ich zur Verfügung.«
    Miersch wandte sich zum Gehen. Kowalski hielt ihn am Ärmel. »Ich will keine Panik machen, Chef, aber die Reporter jagen den Wagen. Wir haben sie nicht aufhalten können. Sie sind nah an ihm dran.«
    Miersch sah die Aufnahmen von Gangstern, denen Journalisten Kaffee und Pizza brachten.

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