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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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Lumpenpüppchen nicht haben wollen. Die hebst du für den Papa auf, bis er kommt! Und er kommt ganz bestimmt bald wieder! Papa war wiedergekommen, Mutti hatte wieder geweint. Und der Papa wollte ihren Albert auch gar nicht haben. Spiele, mein Kind, das freut den Papi am meisten. Das Püppchen musste noch immer in einer Kiste auf dem Dachboden sein. Frederike hatte es nie wegwerfen können, niemals würde sie das tun. Prost, Onkel Albert! Sie würde auf dem Boden nachschauen müssen. Ja, das würde sie gleich tun, wenn das Ferienlager vorbei war. Albert, das Lumpenpüppchen. Prost, Onkel Albert, mach die Leinen los ! Wir wollen was erleben, denn die Welt ist groß. Prost, Onkel Albert, stürmisch ist die See, doch du hast das Kommando, und alles geht o. k . Prost, Onkel Albert … Sie hatte getanzt. Aber mit wem?
    Der Zug bremste ab. Der Bahnhof hielt die Schranke geschlossen. Viele Waggons standen davor. Keine Menschen waren zu sehen. Ein Reisebus wartete. Ihr Ziel, unser Auftrag. Jetzt würden sie halten, endlich, Frederike konnte in der Bahnhofshalle ihr Kleid wechseln. Gelb und grün war die Halle und aus viel Metall gebaut. Halle/Saale, aussteigen, bitte! Gelb und grün. Sie würde den schwarzen Mann neben sich bitten, ihr den Koffer von der Ablage herunterzureichen. Hoffentlich hatte Mutti den Koffer überhaupt abgegeben. Frederike hoffte, es war der große mit den bunten Bildchen auf dem Leder. Herzlich willkommen in Tirol. Grüße aus Bad Lausick. Da passte viel rein.
    »Tschuldigung, wären Sie so nett, mir den Koffer zu reichen?«
    »Schnauze!«
    Schnauze! Solche Worte waren verboten, dafür gab’s einen Eintrag ins Tadelheft, keine Bienchen. Frederike, komm nach vorn, Frederike, hier ist dein Korn, und vielen Dank für die Arbeit.
    Schnauze durfte man nicht mal im Geheimen sagen. Aber sie würde nicht petzen.
    »Ich wollte mich frisch machen, bei so langer Fahrt fängt man einfach an zu stinken.« Sie hoffte, dass sie freundlich lächelte.
    Der schwarze Mann setzte ihr ein Kanonenrohr an die Stirn. »Halt’s Maul, blöde Kuh!«
    Der Zug quietschte und fuhr plötzlich an. Die Schranke splitterte. Sie fuhren davon und bremsten schon wieder. Wieder ein Bahnhof. Frederike wunderte sich, dass sie näher beieinander lagen als die Haltestellen der Leipziger Straßenbahn. Nächste Haltestelle: Thomaskirche. Zugang zur Innenstadt. Sie empfahl ihren Gästen immer, dort auszusteigen. Es war der kürzeste Weg zum Waschsalon in der Gottschedstraße. Mein Gott! Hatte sie die Geschäfte Kain übergeben? Nein! Kain saß vor ihr, auch seine Mutter hatte das Ferienlager gebucht. Fröhlich sein und singen, stolz das blaue Halstuch tragen, andern Freude bringen, ja, das lieben wir …
    Das Haltestellenhäuschen jetzt war weiß, aber noch immer grünes Metall. Vielleicht war es noch immer derselbe Bahnhof? Viele Autos warteten. Wahrscheinlich auf einen Autozug. Also hielten sie hier. Frederike fuhr sich durch die Haare. So, wie sie aussah, konnte sie nicht die Toilette besuchen.
    »Ich geh kurz mal aufs Klo.«
    Frederike bewegte den Türgriff. Die Tür blieb verschlossen. Das war ja ein Albtraum! Eingesperrt! In diesem Moment fuhr der Zug wieder an, erreichte in kurzer Zeit Höchstgeschwindigkeit. Sie wurde ins Sitzpolster gedrückt. Achterbahn. Hatte Mutti den Eintritt bezahlt?
    Die Bahnhofshalle flog vorbei und die Schalter, in denen kein Mensch saß. Wahrscheinlich hatten sie Automaten hingestellt. Bitte wählen Sie Ihr Fahrtziel! Zahlen Sie mit Karte oder in bar? Frederike kaufte die Karten noch immer am Schalter. Es schien sicherer, wenn auch Verbraucherschützer die Beratung bemängelten.
    Und dann raste der Zug ohne Zwischenhalt weiter. Häuser, Bäume und Müll. Papierfetzen flogen sehr hoch. Tonnen lagen am Straßenrand. Plastetüten fielen wie Schnee. Dazwischen saßen alte Frauen und verkauften Melonen. Frederike hätte gern eine gegessen. In den Brotbeutel hatte Mutti nur Wasserflaschen gepackt, nichts zu essen.
    »Keine Autobahn mehr! Sie werden uns stellen und einfach erschießen!« Das sprach der schwarze Mann, der vor ihr saß. Er war größer als der Schwarze neben ihr. »Dein Bruder wird uns nicht helfen!«
    »Er hat mir und meiner Schwester immer geholfen!« Der Schwarze neben ihr hatte gesprochen.
    »Aber hier? Guck dich um, kein Haus, kein Strauch.«
    »Eben, Ralf kennt sich aus. Er hat immer mit allen Ämtern geredet. Alles wird gut. Fahr zu, weit kann’s nicht mehr sein. Belgrad ist schon

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