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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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sein. – Wie kann man in unserer Zeit noch solchen Unfug behaupten?!«
    »Die Leute hier sind noch genauso abergläubisch wie vor der Reformation«, seufzte Rosa.
    »Und was ist mit ihr geschehen?«
    »Nun, der Rat hat sie angeklagt, und der Henker hat sie gefoltert. Ich habe ihre Schreie durch die dicken Mauern des Turms gehört. Schrecklich! Was Menschen anderen Menschen antun! Aber die Frau hat trotz aller Qualen nicht gestanden. Der Rat musste sie schließlich freisprechen.«
    Rosa hielt bewegt inne. Tränen schimmerten in ihren Augen. Dann fuhr sie fort: »Doch sie hat durch die Folter ihr Kind verloren, ein wunderschönes Mädchen mit blonden Haaren und tiefblauen Augen.«
    »Was für eine Tragödie!«, sagte Benno. »Und alle, die sich vorher das Maul über sie zerrissen haben, hatten sicherlich keine Schuldgefühle wegen ihrer Verleumdungen.«
    »Natürlich nicht. Die saßen am nächsten Sonntag wieder mit fromm verklärtem Blick in der Kirche und haben ›Großer Gott, wir loben dich‹ gesungen.«
    »Was für Heuchler! – Und die Frau, was ist mit ihr?«
    »Sie ist wahnsinnig geworden. Seitdem läuft sie durch Magdeburg und ruft jeden Tag ihr Menetekel.«
    Benno nickte: »Ich kann sie verstehen. Wirklich! Wer würde dabei keinen Schaden an seiner Seele nehmen.«
    Er blickte Rosa fest an: »Meine Studienkollegen und ich waren uns einig: Wenn wir an die Macht kommen, spätestens nach diesem unseligen Krieg, dann werden wir die Laienrichter durch Juristen ersetzen. Außerdem werden wir nichts mehr auf Geständnisse geben, die durch Folter erpresst worden sind, sondern handfeste Beweise verlangen. Wir werden unser Rechtssystem revolutionieren! Darauf können Sie sich verlassen. Dann wird es nicht mehr diese tragischen Fälle und dieses Unrecht geben.«
    Inzwischen waren sie in der Krummen Gasse angelangt, wo die Emmerichs wohnten. Wie überall in der Stadt lagen auch hier Abfall und Kot im Rinnstein.
    Benno betrachtete das heruntergekommene Fachwerkhaus des ermordeten Kaufmanns. Die Schindeln auf dem Dach waren mit Moos bedeckt, die Balken ausgebleicht und verwittert, teilweise sogar angefault, und der Lehmputz war stellenweise abgeblättert.
    »Ist wohl seit hundert Jahren nichts mehr dran gemacht worden.«
    Rosa nickte: »Ja, in sein Haus hat Klaus Emmerich nichts investiert. Seine Frau und er waren auch immer ein wenig ärmlich gekleidet.«
    »Liefen seine Geschäfte nicht so gut?«
    »Niemand weiß das so genau. Vielleicht war er einfach nur geizig und hat sich nichts gegönnt.«
    »Ja, solche Leute gibt es«, nickte Benno. »Bei uns um die Ecke wohnte ein Ehepaar, das so ärmlich lebte, dass meine Eltern sie aus Mitleid versorgt haben. Doch als die beiden kurz hintereinander starben, hinterließen sie einen dicken Sack Golddukaten. Sie waren steinreich und haben doch wie die Hunde gelebt. Verrückt, dass sie sich selbst nichts gegönnt haben! Den Stadtsäckel aber hat es gefreut.«
    »Solche Leute sind wirklich arm dran!«, sagte Rosa mit ehrlichem Bedauern. »Klaus Emmerich gehörte wohl auch dazu.«
    »Womit hat er denn gehandelt?«
    »Hauptsächlich mit Metallwaren: Riegel, Scharniere, Schlösser, Nägel, Schrauben. Manches hat er bei Schmieden in der Umgebung eingekauft, feinere Eisen- und Bronzewaren kamen aus Nürnberg, Dresden und anderen Städten.«
    »Hatte er Konkurrenten in Magdeburg?«
    »Nur zwei.«
    »Dann muss er doch ganz gut verdient haben!«
    »Eigentlich schon, aber davon hat man nichts gesehen.«
    »Tja«, sagte Benno, »dann hat er wohl für die lachenden Erben gespart.«
    »Die Emmerichs hatten keine Kinder.«
    »Keine Kinder? Mmh, dann kann seine Frau es sich ja nun gut gehen lassen. Ihr Mann hockt ja nicht mehr auf dem Geldsack.«
    Rosa nickte: »So traurig das alles ist, aber ich habe schon mehrmals erlebt, dass Frauen richtig aufblühten, wenn ihre Männer unter der Erde waren. Sie kleideten sich wieder schick, genossen das Leben und lachten mehr als in ihrem ganzen Leben davor.«
    »Wir Männer sind also schuld daran, dass ihr Frauen nicht glücklich werdet? Wollten Sie das damit sagen? Warum seid ihr dann hinter uns her?«
    Benno schaute sie verschmitzt an.
    »Wir sind hinter euch Männern her?«, rief Rosa scheinbar empört. »Ihr seid es doch, die uns mit verliebten Blicken und Treueschwüren verfolgen, bis wir schließlich weich werden und euch unser Ja-Wort geben.«
    »Nein, nein, nein, so ist das nicht«, wehrte Benno ab. »Frauen kennen ihre Männer meist viel länger

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