FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
selbst zurzeit nicht mehr wieder; zu vieles stürmte auf ihn ein. Und musste man in den wichtigen Dingen des Lebens nicht seinem Herzen folgen?
»Meister Stetter«, antwortete er geradeheraus, »wollte ich nicht versuchen, bei Ihrer Tochter Eindruck zu machen, wäre ich ein Dummkopf!«
»Gut pariert, Herr Advokat!«, antwortete dieser mit einem breiten Grinsen. »Ich sehe, Sie lernen schnell, wie man auch mit Worten fechten kann.«
Mit diesen Worten verschwand Stetter in der Haustür.
Benno überlegte nicht lange. Wenn Oberst Dietrich von Falkenberg jetzt schon plante, die beiden Vorstädte niederzubrennen, dann mussten das Rosa und ihr Vater sofort erfahren. Vergessen war Anneliese. Sie konnte er außerdem morgen wiedersehen. Jetzt dachte er nur noch an Rosa.
Mit großen Schritten marschierte er zum Stadttor, das zur Sudenburg führte und dann durch das Gewirr der engen Straßen direkt in die Elbgasse, wo die Gerberei und das Häuschen der Münkoffs lagen. Er klopfte an die Haustür, doch niemand öffnete.
Sicherlich sind die beiden in der Gerberei, dachte er und wollte schon die Gasse überqueren, als Hans Münkoff ihm entgegenkam.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Herr Advokat«, fragte dieser nicht unfreundlich, »oder möchten Sie meine Tochter sprechen?«
»Ich habe eine wichtige Nachricht für Sie beide«, antwortete Benno hastig.
»Eine wichtige Nachricht? Was kann schon wichtig sein, wenn man im Krieg ist?!«
»Ihr Haus, die Gerberei, Meister Münkoff.«
»Was ist damit?«
»Sie werden alles aufgeben müssen, alles verlieren!«
Hans Münkoff schaute ihn an, als wenn Benno einen schlechten Witz gemacht hätte.
»Wie bitte?«
»Können wir ins Haus gehen?«, fragte Benno. »Ich möchte nicht, dass es die ganze Straße hört. Das würde nur einen Aufstand geben.«
Nun kam Bewegung in den Gerber. Er öffnete die Tür und schob seinen Gast ins Treppenhaus und anschließend in die Stube im Erdgeschoss. Eine schwere Eichentruhe und ein schlichter Holztisch mit drei Stühlen füllten den kleinen Raum fast ganz aus. An der Rückwand loderte ein Holzfeuer in einem gusseisernen Ofen und machte die Stube angenehm warm.
»Aufstand? Alles verlieren? Was ist los?«
Benno holte erst einmal tief Luft, dann sprudelte alles aus ihm heraus: Oberst Falkenbergs Plan, Sudenburg und die Neustadt zu evakuieren und die Einwohner in der Altstadt unterzubringen, um anschließend die beiden Vorstädte niederzubrennen. Als er fertig war, blickte ihn Hans Münkoff bleich und fragend an. Mit zittriger Hand hielt er sich an einem Lehnstuhl fest.
»Ist das wirklich so?«
»Ja, es ist so. Ich habe es gerade von einem Stadtrat erfahren«, nickte Benno mit ernstem Gesicht.
»Die können doch nicht einfach ganze Stadtteile abfackeln, nur um ihre pompösen Häuser zu schützen!«, begehrte der Gerber auf. »Alles, was wir uns mit unseren Händen hart erarbeitet haben, soll uns genommen werden? Wovon sollen wir in Zukunft leben? Wo wohnen? Die können doch nicht einfach über unser Schicksal entscheiden!«
Benno nickte zustimmend mit zusammengepressten Lippen.
Münkoff schüttelte seinen Kopf: »Warum brennen sie nicht die Altstadt nieder und kommen alle zu uns in die Sudenburg?«
»Weil sie schon seit Generationen das Sagen haben. Weil sie das Geld und damit die Macht haben, und weil sie die ›ehrwürdige Familien‹ sind.«
Die letzten Worte hatte Benno mit spöttischem Unterton gesagt.
»Ehrwürdige Familien!«, schnaubte Münkoff. »Ehrwürdige Familien, dass ich nicht lache! Ein Nichts sind sie ohne uns einfachen, namenlosen Menschen. Wir machen für sie den Rücken krumm! Wir schleppen ihre Lasten! Wir büßen für ihre Dummheiten und Verbrechen! Sie aber sitzen auf ihren Geldsäcken, die wir gefüllt haben, und schauen hochmütig auf uns herab.«
Wie recht er hat, dachte Benno, wie recht er hat!
Die Tür öffnete sich und Rosa blickte herein.
»Was ist los?«, fragte sie und blickte verunsichert zwischen ihrem Vater und Benno hin und her. »Hattet ihr Streit?«
»Nein, nein, mein Liebes«, beschwichtigte sie Hans Münkoff, »ich habe mich nur über die Fettwänste in der Altstadt ereifert.«
»Und warum?«
»Sie wollen die Sudenburg und die Neustadt niederbrennen.«
»Sie wollen …?«
»Unser Haus und die Werkstatt in Schutt und Asche legen!«
»Und warum? Was haben wir ihnen denn getan?«
»Sie haben nichts getan, liebe Rosa«, mischte sich nun Benno ein, »ebenso wenig wie die anderen Bewohner der
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