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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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verwirrte ihn. Doch dann löste sie sich von ihm und sagte: »Du bist ein guter Freund, Benno. Ich danke dir, dass du mich verstehst.«
    Eine tiefe Stimme erschallte aus dem Kontor.
    »Wo bleibt denn nur unser Herr Advokat? Ich dachte, er wollte heute Morgen zum Fechtunterricht kommen.«
    Carl-Ulrich Stetter erschien in der Haustür.
    »Ah, da ist er ja schon. Kommen Sie, junger Mann, gehen wir nach oben und holen uns die Schwerter.«
    Benno zwinkerte Anneliese zu und flüsterte: »Wir sehen uns später.« Dann folgte er seinem Lehrer die Treppe hinauf ins Esszimmer.
    Carl-Ulrich Stetter verschwand kurz ins Nebenzimmer und holte zwei Übungsschwerter. Eins davon reichte er Benno. Der nahm das Schwert begeistert in die Hand.
    »Oh, ich dachte, es wäre wesentlich schwerer.«
    »Es wiegt etwas mehr als vier Pfund«, erklärte Meister Stetter, »dazu kommt, dass der Schwerpunkt kurz vor dem Griff liegt, sodass man damit eine schnelle Klinge schlagen kann. Im Laufe der Zeit ist dieses Schwert immer mehr verbessert und verfeinert worden. Doch seit etwa hundert Jahren hat es eine optimale Form.«
    Er zeigte auf verschiedene Stellen der Klinge und erklärte weiter: »Die Spitze nennt man ›Ort‹, das obere Drittel der Klinge ›Schwäche‹ …«
    »Schwäche?«, unterbrach ihn Benno.
    »Ja, das ist der scharfe Teil des Schwertes, mit dem man schneidet. Die darunter liegenden zwei Drittel der Klinge sind die ›Stärke‹. Dieser Teil ist nicht scharf geschliffen, sondern stumpf. Damit kann man die Schläge des Gegners blocken und parieren, ohne dass die Klinge Schaden nimmt. Durch die spitze Klingenform kann man mit dem Schwert auch in ungeschützte Bereiche des Gegners stechen: die Innenseiten von Knie und Ellbogen, die Achseln, der Schritt oder das Visier. Man kann auch die Stärke mit einer Hand greifen und das Schwert wie eine Lanze verwenden. Man kann es außerdem umdrehen und mit der Parierstange oder dem Knauf zuschlagen.«
    »Es ist also eine multifunktionale Waffe«, nickte Benno. »Musste man die Schwerter beim Schmied kaufen oder gab es dafür Händler?«
    »Die Klinge wurde von einem Schmied hergestellt und danach von einem Schwertfeger geschliffen und poliert. Dann kam sie zum Händler. Wollte ein Kunde ein bestimmtes Schwert kaufen, suchte er sich dazu Parierstange, Griff und Knauf aus und ließ alles von einem sogenannten Reider montieren.«
    »Und ich dachte immer, dass der Schmied das ganze Schwert anfertigt!«, rief Benno aus.
    »Genug der Theorie!«, sagte Carl-Ulrich Stetter. »Fangen wir an zu üben. Am besten, wir gehen in den Hof. Martha hat es sicherlich nicht gerne, wenn wir die Wände und Möbel ruinieren.«
    Sie verließen das Esszimmer und gingen zum Hof hinunter.
    »So, da sind wir. Normalerweise fasst du das Schwert mit der linken Hand oberhalb des Knaufs. Die rechte liegt knapp darüber, hinter der Parierstange. Richtig, genau so! Du stehst mit leicht gebeugten Knien etwa schulterbreit, das linke Bein vorne. Die Zehen des rechten Fußes zeigen leicht nach außen, und das Gewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt. So kannst du dich in jede Richtung bewegen. Das ist die Ausgangsstellung für die Huten.«
    »Bitte, für was?«
    »Die Huten. Das sind die Ausgangsstellungen für Schläge. Die Schläge enden wiederum in einer Hut, jedenfalls sehr oft. Jede Hut deckt eine Angriffslinie ab.«
    »Ach so«, sagte Benno, »deshalb sagt man auch: ›Sei auf der Hut!‹.«
    »Richtig! Viele Redewendungen in unserer Sprache stammen aus dem Schwertkampf, wie beispielsweise »Gib dir keine Blöße«, oder wenn man etwas ›unterbindet‹. Das bedeutet ursprünglich, mit dem Schwert an der Klinge des anderen kleben zu bleiben, wenn er zustechen will, wobei die Spitze des eigenen Schwerts schräg nach unten zeigt. Damit unterbindet man seinen Angriff, und sollte er es wagen, sein Schwert zurückzuziehen, kann man sofort zustechen.«
    Benno nickte, obwohl er nicht alles verstanden hatte.
    »So, mein Lieber, kommen wir zum ersten Schlag, auch ›Hau‹ genannt. Du legst jetzt das Schwert auf deine rechte Schulter. Streck die Ellbogen nicht nach vorn, sonst kann man dich da leicht treffen. Ja, lass sie einfach nach unten hängen. Ohne auszuholen schlägst du jetzt nach schräg vorne und machst dabei mit dem rechten Bein einen Schritt vorwärts. Du ziehst den Schlag aber nicht durch, sondern lässt den Ort, das ist die Spitze der Klinge, etwa in Schulterhöhe stehen. Nach dem Auftreffen, ziehst du das

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