FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
erringen oder die Elbe hinuntertreiben, weiß nur der Herrgott. Deshalb ist heute der Tag zum Feiern. Schießt mit euren Faustbüchsen den Salut.«
Die Männer hoben ihre Radschlosspistolen und drückten ab. Der Knall der fast gleichzeitig abgefeuerten Waffen ließ ihre Ohren klingeln. Eilig luden die Männer nach, schossen, luden und schossen wieder. Pulverdampf erfüllte die Luft.
»Sie fliehen!« Der Warnruf des Gemeinwebels schreckte die Leute hoch.
Verwirrt blickten sie auf den Platz, wo gerade noch die Gefangenen gesessen hatten. Sie waren auf und davon!
»Los, ihnen nach!«, befahl Georg Ackermann. »Verliert keine Zeit mit dem Laden der Faustbüchsen.«
Die Söldner stürmten los. Doch mit Schwert, Dolch und Radschlosspistolen in der Hand konnten sie nicht so schnell laufen, wie die unbewaffneten Magdeburger.
»Und versucht, sie möglichst lebend zu kriegen«, rief Ackermann ihnen hinterher, »wir müssen wissen, was in der Stadt los ist.«
Doch das hörten die meisten der Söldner schon nicht mehr.
Georg Ackermann seufzte auf.
Viel Glück, Kapitän Böse, dachte er, der du in Wirklichkeit ein netter und anständiger Kerl bist! Viel Glück dir und deinen Männern!
Kurze Zeit später begannen auf dem anderen Elbufer südlich von Magdeburg Kanonen zu feuern.
Das ist Tillys Batterie, durchfuhr es Georg Ackermann. Sicherlich haben die Flüchtigen versucht, mit Kähnen und Ruderbooten den Fluss zu überqueren und werden nun von Tillys Kanonen beschossen.
Er eilte zum Elbufer hinunter. Seine Männer kamen ihm entgegen. Sie hatten nur drei Gefangene gemacht. Kapitän Böse war nicht unter ihnen.
»Bringt sie zur Schanze!«, befahl er mit strengem Blick.
Kurz bevor Georg Ackermann das Flussufer erreichte, hörte das Sperrfeuer auf. Von einem kleinen Deich blickte er auf die Elbe hinunter. Zerschossene Kähne und Leichen trieben in der Strömung.
Ein bitterer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus, und er fühlte wieder diese unendliche Müdigkeit, die jeden Muskel seines Körpers zu lähmen schien.
Du hast alles getan, um ihr Leben zu retten, versuchte er sich zu beruhigen, doch es war nicht genug!
Er blickte nach Magdeburg hinüber. Menschen säumten die Stadtmauer. Offensichtlich hatten sie tatenlos zuschauen müssen, wie ihre Soldaten von den Kanonen zusammengeschossen worden waren.
Doch dann sah er drei Boote unterhalb der Mauer. Männer kletterten daraus an Seilen empor, die man ihnen von den Mauerzinnen aus zugeworfen hatte. Einer der Männer, der noch unten in einem der Boote stand, wandte sich um, blickte zu ihm hinüber und hob die Hand wie zum Gruß, ehe er nach oben kletterte und über den Rand der Mauer verschwand.
Auch wenn er ihn nicht genau erkannt hatte, so hoffte Georg Ackermann dennoch, dass es Kapitän Böse gewesen war, der ihn gegrüßt hatte.
Er seufzte wieder und wandte sich zum Gehen.
Verfluchter Krieg!, dachte er voll Bitterkeit. Rafft Unschuldige weg und verwüstet fruchtbare Landschaften, während sich ihre Drahtzieher an überladenen Tischen den Wanst vollschlagen! Und du, Georg Ackermann, machst einfach mit. Machst mit bei diesem Morden und Plündern. Willst Beute machen, dich am Leid anderer bereichern.
Er fühlte sich plötzlich schäbig und hoffnungslos.
Doch du kommst da nicht raus! Du musst mitmachen, auch wenn du es nicht willst. Du musst mittanzen mit dieser Hure, die man ›Krieg‹ nennt, der du deine Seele verkaufst hast. Musst mittanzen, bis du selbst elendig verreckst!
11.
Am Montagvormittag war Benno wie abgesprochen wieder bei den Stetters, um die Kunst des Fechtens zu erlernen. Er traf Anneliese in der Einfahrt. Sie sah bedrückt und verwirrt aus.
»Ist es der Krieg?«, fragte Benno einfühlsam.
Sie nickte nur.
»Ja, der Fall der drei Schanzen hat auch mich nachdenklich gemacht. Die Menschen in der Stadt sind still geworden. Kein Hurra-Geschrei mehr auf den Straßen. Niemand hat erwartet, dass diese Bollwerke gleich beim ersten Ansturm fallen werden.«
»Die Übermacht war einfach zu groß«, nickte Anneliese. »Die Männer hatten keine Chance. Man hätte sie zurückholen sollen, statt sie dort auf verlorenem Posten zu lassen.«
Sie machte eine Pause, dann fuhr sie fort: »Mir tut es um Kapitän Böse leid. Er war solch ein tapferer und lebenslustiger Mann.«
Vom Augenblick geleitet, legte Benno ihr tröstend seinen Arm um die Schultern und fühlte die Wärme ihres Körpers. Sie ließ es geschehen. Er spürte, dass sie mehr wollte, und das
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