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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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Vorstädte. Magdeburg hat einfach nur zu wenig Soldaten, um alle Mauern und Türme zu besetzen. Deshalb sollen die Vorstädte aufgegeben werden. Damit sich aber die Kaiserlichen hier nicht einnisten können, sollen die Häuser zerstört werden.«
    »Wo sollen wir dann wohnen?
    »Man wird Sie bei Familien der Altstadt und in den Klostergebäuden unterbringen.«
    Rosa ließ sich auf einen Stuhl fallen und blickte Benno und ihren Vater skeptisch an.
    »Ich glaub das nicht. Ich glaub das einfach nicht! Die wollen uns alles nehmen, was wir haben? Alles niederreißen und verbrennen?«
    »Ich habe es aus einer sicheren Quelle«, erklärte Benno. Seine Stimme klang heiser. Er konnte die beiden verstehen. Sie fühlten sich bestimmt wie jemand, dem man den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Man fällt und fällt, sucht Halt und fürchtet den Aufschlag irgendwo weit unten im Abgrund. Doch was konnte er, Benno Greve, schon tun? Wie konnte er ihnen helfen oder sie auch nur trösten?
    Mit hängenden Schultern stand er mitten im Raum. Doch dann riss er sich zusammen und fuhr fort: »Es weiß aber niemand außer den Ratsherrn selbst. Deshalb sollten Sie noch nicht mit Ihren Nachbarn darüber sprechen. Es könnte sonst zu Tumulten kommen, und diese kann sich die Stadt jetzt nicht leisten, wo Tilly mit der Belagerung beginnt. Wahrscheinlich wird es morgen losgehen. Er hat nämlich heute seine Truppen über die Elbe geführt.«
    »Haben die Soldaten mit Schiffen übergesetzt?«, wollte Hans Münkoff wissen.
    Benno war froh, dass er das Thema wechseln konnte: »Nein, Tilly hat eine provisorische Brücke aus Kähnen bauen lassen.«
    »Und was machen wir jetzt?«, mischte sich Rosa wieder ein. »Was ist mit unseren Möbeln, unserem Hausrat, dem ganzen Werkzeug?«
    Hans Münkoff kratzte sich den Kopf und zuckte mit den Schultern.
    »Sicherlich werden Sie alles zusammenpacken und mitnehmen können«, versicherte Benno den beiden. »Ich habe Ihnen dies aber schon jetzt mitgeteilt, damit Sie vorsorgen können. Im Ernstfall wird es holterdiepolter gehen, und da kann man manches übersehen.«
    »Wir sind Ihnen dafür sehr dankbar, Herr Greve«, sagte der Gerber. Er stand etwas unschlüssig neben dem Lehnstuhl, als überlegte er, ob er noch etwas sagen sollte.
    »Hast du etwas auf dem Herzen?« Rosa blickte ihn fragend an.
    »Mmh. Ich weiß nicht, ob ich es sagen soll.«
    »Was denn?«, wollte seine Tochter wissen, nun neugierig geworden.
    »Ich habe ein Ruderboot.«
    »Ein Ruderboot? Wo hast du denn das her?«
    »Es wurde angetrieben, als ich heute Morgen ganz allein am Elbufer stand. Ein toter Fischer lag darin. Eine Musketenkugel hatte ihm den Kopf zerfetzt. Ich habe ihn dem Fluss übergeben und das Boot unter den tief hängenden Zweigen der Weide nicht weit von unserem Haus versteckt. Du kennst den Baum ja.«
    Er wies in die Richtung, in der die Weide stand.
    Rosa nickte eifrig. Ihr Gesicht hatte schon wieder an Farbe gewonnen.
    »Ich habe ein altes Netz, das im Boot lag, darüber gespannt und Blätter und kleine Äste darauf geworfen. Es ist also gut getarnt und kann auch vom Ufer aus nicht entdeckt werden.«
    »Sollen wir damit fliehen, wenn alles schieflaufen und Magdeburg fallen sollte?«, fragte Rosa ihren Vater.
    Der nickte: »Ja, das habe ich mir gedacht, als das Boot angetrieben wurde. Und jetzt, wo unser Advokat uns gesagt hat, dass wir Haus und Werkstatt sowieso verlieren werden, hält mich hier noch weniger. Als Gerber kann ich auch woanders wieder neu anfangen. So schwer wird das nicht sein. Leder wird immer und überall gebraucht, in Rostock, Hamburg oder Bremen.«
    »Und in der neuen Welt«, dachte Rosa laut.
    »In der neuen Welt?«, rief Hans Münkoff, und auch Benno sah sie erstaunt an. »In der neuen Welt?«
    »Ja, warum nicht«, erwiderte seine Tochter. »Ich habe gehört, dass dort viele Tiere in den Bergen und den unendlichen Wäldern leben, und die Ebenen sollen schwarz von Büffeln sein. Da gibt es sicherlich viel zu tun für einen Mann wie dich.«
    Jetzt musste sich Münkoff erst einmal setzen.
    »Du meinst, wir sollen unserer Heimat den Rücken kehren?«
    Rosa blickte ihren Vater herausfordernd an: »Was erwartet uns denn hier außer Krieg, Pest und Cholera? Welche Zukunft haben wir schon in dieser Stadt und in diesem Land? Mir fehlt hier die Luft zum Atmen. Ich möchte sagen, was ich denke. Ich möchte dorthin gehen, wo es mir gefällt. Ich möchte selbst über mein Leben bestimmen und nicht länger Kehricht der

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