FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
mitnehmen.« Er machte eine Pause. »Darüber hinaus – offen gesagt: Ich habe Ihre Tochter ins Herz geschlossen, und würde deshalb nichts tun, was ihr oder ihrer Familie schaden könnte.«
So, nun war es heraus! Benno selbst wunderte sich über seine plötzliche Offenheit, und auch Rosa und ihr Vater schauten ihn mit großen Augen an. Nur gut, dass Rosa in der dunklen Stube nicht gleich seine geröteten Wangen erkennen konnte. Doch dann zog ein strahlendes Lächeln über Rosas Gesicht, während Hans Münkoff sich am Kopf kratzte und sagte: »So steht es also um euch beide. Ich habe mir schon gedacht, dass euch nicht so sehr der Mord am alten Emmerich verbindet, sondern eine gewisse Sympathie.«
Er erhob sich von seinem Eichenstuhl und ging zur Tür, die zum Treppenhaus führte.
»Nun, dann will ich euch etwas zeigen.«
Seine Tochter und Benno folgten ihm.
»Übrigens«, sagte Rosa und zeigte auf eine Schiebetür auf halber Treppe, »da oben schlafe ich.«
Sie lief die Stufen hinauf und öffnete die Tür, hinter der drei Kissen und zwei zusammengefaltete Decken auf einem Strohsack lagen. Der Raum war gerade so lang, breit und hoch, dass eine Person sich dort ausstrecken oder sitzen konnte.
»Ach, Sie schlafen in einem Alkoven«, sagte Benno.
»Ja, das spart Platz, und außerdem ist es im Winter wärmer als in einem frei stehendem Bett.«
Benno nickte: »Stimmt, deshalb bevorzugen auch viele Reiche solche Schrankbetten. Da brauchen sie nur die Tür zu öffnen, und schon kommt die warme Luft von der Stube in den Alkoven.«
»Ich stelle vor dem Schlafengehen eine Bettpfanne mit heißem Wasser auf den Strohsack, und schon ist es dort gemütlich warm. Man muss das Schrankbett natürlich gut lüften, damit es nicht feucht wird.«
Rosa blickte etwas verlegen auf Benno und ihren Vater hinunter. Es war schon ein wenig ungewöhnlich, mit einem Mann so offen über ihre Schlafstelle zu sprechen, den sie erst vor ein paar Tagen kennengelernt hatte. Sie wusste auch nicht, warum sie es tat. Doch Benno ließ sich nichts anmerken, sondern verhielt sich, als wäre dies die natürlichste Sache der Welt. Insgeheim aber fragte er sich, ob dies nicht ein geheimer Wink war, dass sie mehr von ihm wollte als nur Freundschaft.
Auch Hans Münkoff rieb sich das Kinn, als fragte er sich, warum seine Tochter einem Halbfremden ihren Alkoven gezeigt hatte. Doch Rosa sprang leichtfüßig die Stufen hinunter und fragte ihn: »So, was wolltest du uns zeigen?«
Ihr Vater räusperte sich und holte ein wenig weitschweifig aus: »Du weißt ja, dass wir dieses Haus von einem alten Mütterchen gekauft haben, als wir noch drüben in der Gerberei wohnten.«
Rosa nickte.
»Und wir haben uns gefreut, dass es einen Keller hatte.«
»Ja, weil wir dort verderbliche Speisen kühl stellen konnten.«
»Hast du dich nicht gefragt, warum die anderen Häuser nicht unterkellert sind?«
»Nein, habe ich nicht.« Rosa schüttelte ihren Kopf. »Vielleicht, weil sie bei Hochwasser der Elbe volllaufen könnten?«
»Das wird es sein«, erwiderte ihr Vater, »aber warum hat unser Haus dann einen Keller?«
Rosa blickte fragend zu Benno hinüber, doch der zuckte nur mit den Schultern.
»Ich bin auch erst vor ein paar Tagen daraufgekommen«, sagte Hans Münkoff. Er bückte sich, schob einen abgetretenen Läufer zur Seite und öffnete eine Klappe, die sich im Boden befand. Eine Treppe führte nach unten und verschwand in der Dunkelheit. Der Gerber nahm eine Öllampe vom Haken an der Wand, ging in die Stube und entzündete dort den Docht mit einem Kienspan, den er zuvor im gusseisernen Ofen angesteckt hatte.
Dann kehrte er ins Treppenhaus zurück und stieg wortlos die ausgetretenen Stufen zum Keller hinunter. Rosa und Benno folgten ihm, ohne weitere Fragen zu stellen.
Unten begann Hans Münkoff an die linke Wand zu klopfen und bewegte sich dabei in Richtung Stadtmauer, an die das Haus angebaut war. Plötzlich veränderte sich der Klang des Klopfgeräusches.
»Ein Hohlraum«, entfuhr es Rosa, und auch Benno pfiff erstaunt durch die Zähne.
»Richtig, ein Hohlraum«, bestätigte ihr Vater, »aber im Nachbarhaus gibt es keinen Keller.«
»Liegt dahinter vielleicht ein unterirdischer Wehrgang, den man zugemauert hat, als dieses Haus errichtet wurde?«, mutmaßte Benno.
»Genau das habe ich mir auch gedacht«, nickte Hans Münkoff, »und wenn dem so ist, dann führt ein solcher Wehrgang zweifellos zur Altstadt. Man munkelt, es gebe sogar einen Flucht- und
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