FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Schwert noch ein wenig nach links zurück, um die Schnittwirkung zu verstärken. Diese Endstellung nennt man ›das untere Hängen.‹ Und der gesamte Hieb wird ›Zornhau‹ genannt, weil man sehr viel Kraft hineinlegen kann.«
»Halt, halt, Meister Stetter«, unterbrach Benno ihn, »mir schwirrt schon der Kopf. All diese Namen und Begriffe. Und dann soll ich noch an meine Füße, Knie, Ellbogen und Hände denken.«
»Keine Panik, Herr Advokat, das ist halb so schlimm. Aller Anfang ist schwer, auch der des Fechtens. Mit der Routine kommt aber auch die Gelassenheit. Sie werden sehen.«
Die nächsten zwei Stunden übte Benno mit Carl-Ulrich Stetter die wichtigsten Huten und Hiebe, bis er Blasen an den Händen bekam.
»So, das war erst der Anfang«, sagte Meister Stetter und nahm Bennos Übungsschwert wieder an sich. »Der Schwertkampf ist eine hohe Kunst. Man braucht Wochen und Monate, um ein Gefühl für die Waffe zu bekommen.«
Sie kehrten über den Hof in die Einfahrt zurück.
Ein Mann lief draußen vorbei und rief ihnen aufgeregt zu: »Tilly hat eine Schiffsbrücke über die Elbe gebaut und führt nun seine Armee auf die andere Seite!«
»Dann geht es morgen los«, sagte Carl-Ulrich Stetter ohne einen Zweifel in der Stimme. »Der Feldherr wird nicht lange fackeln. Gnade Gott den Männern in den Schanzen! Ihnen wird es nicht besser ergehen als den armen Teufeln, die am Freitag die Elbe hinuntergetrieben sind.«
»Wäre es nicht besser, die Soldaten in die Stadt zu holen?«, fragte Benno.
»Dann könnten die Kaiserlichen gleich die Stadtmauer stürmen. Doch eigentlich haben wir viel zu wenig Verteidiger. Deshalb denkt Oberst Falkenberg schon darüber nach, die Sudenburg und die Neustadt aufzugeben, um die Altstadt besser verteidigen zu können. Wir haben darüber im Stadtrat gesprochen. Doch die meisten waren dagegen.«
»Und die Einwohner der beiden Stadtteile, die vielen Handwerker? «, rief Benno aus. Er dachte an Rosa und ihren Vater.
»Die werden alles aufgeben und zurücklassen müssen. Sie sollen bei den Bürgern der Altstadt einquartiert und später für ihren Verlust entschädigt werden. Falkenberg denkt sogar darüber nach, die Neustadt und Sudenburg niederzubrennen, damit Tillys Truppen sich dort nicht einnisten können.«
Benno schüttelte den Kopf: »Das wird den einfachen und fleißigen Leuten natürlich überhaupt nicht schmecken! Alles, was sie sich über Jahre mit großen Opfern dort aufgebaut haben, soll an einem Tag zerstört werden!«
»Dietrich von Falkenberg meint dazu nur: Es sei besser, Haus und Hof zu verlieren als das eigene Leben.«
»Der hat gut reden!«, warf Benno ein. »Es wäre noch besser, Tilly ein fettes Lösegeld zu zahlen, ihn vielleicht sogar in die Stadt zu lassen, dann bräuchte man auch die Stadtteile nicht niederzubrennen und später die armen Leute zu entschädigen. Ob so oder so, beides wird die Pfeffersäcke etwas kosten, aber bei der Übergabe verliert wenigstens niemand sein Leben.«
»So denke ich auch, Herr Advokat«, stimmte Carl-Ulrich Stetter ihm zu und klopfte Benno auf die Schulter. »Nachgeben und für den Frieden zu zahlen, ist immer besser als ein durch Krieg verwüstetes Land wieder aufzubauen. Außerdem könnten Tilly und Pappenheim nicht ewig in der Stadt bleiben, eines Tages müssten sie weiterziehen, um gegen Gustav Adolf zu ziehen, und dann sind auch die Tage der Besatzer gezählt. Freiheit lässt sich nur eine begrenzte Zeit unterdrücken, und oft fällt eine Diktatur auch ohne Gewalt. Man muss nur abwarten können.«
Der Druckermeister wandte sich zur Haustür: »So, ich muss ins Kontor zurück und noch einige Aufträge kalkulieren. Sehen wir uns morgen wieder, oder haben Sie schon genug?«
»Keine Frage, morgen wird wieder gefochten. Es hat mir riesigen Spaß gemacht. Vielen Dank für Ihre Geduld, Meister Stetter.«
»Na, ist das nicht nur eine Begeisterung, die alle Anfänger erfasst und nach einigen Wochen wieder abkühlt?«, fragte dieser ein wenig skeptisch.
Benno schüttelte entschieden den Kopf: »Bestimmt nicht! Bei mir ist das anders. Solange Sie mich nicht rauswerfen, komme ich wieder.«
»Die meisten wollen sowieso nur den Frauen imponieren …?« Carl-Ulrich Stetter konnte sich diese Bemerkung nicht verkneifen.
Benno räusperte sich, um seine Verlegenheit zu verbergen. Er musste auf der »Hut« sein. Wobei: Eine gute Partie wäre Anneliese schon. Und er hatte Gefühle für sie … oder etwa nicht? Oft erkannte er sich
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