FreeBook Die tote Unschuld - Soko Hamburg Bd 1
Dr. Magnussens Gesicht war weiß vor Wut, als sich später am Vormittag die 7. Sonderkommission Mord zur Einsatzbesprechung im Präsidium versammelte.
Der Kriminaloberrat deutete anklagend auf einen Stapel Zeitungen. So, als ob seine Untergebenen die Artikel geschrieben hätten.
»Die Presse fällt über uns her, meine Damen und Herren! Ein Serienmörder läuft in Hamburg frei herum, und die Polizei schläft. Das ist der Grundtenor von allen Leitartikeln an diesem Morgen!«
Heike war diplomatisch genug, den Mund zu halten. Wenn der Chef in dieser Stimmung war, würde sie ihn niemals von ihrer Theorie überzeugen können. Sie beschloss, lieber erst genügend Fakten zu sammeln.
»Die Presse ist immer unfair«, maulte Peter Mertens. »Wir können tun, was wir wollen. Für die machen wir immer alles falsch.«
Dr. Magnussen kaute auf seiner kalten Tabakspfeife herum.
»Machen Sie den Ballistikern Dampf! Ich möchte endlich wissen, was für eine Waffe bei den Mordanschlägen benutzt wurde. Vielleicht gibt es ja Zeugen, die den Täter gesehen haben. Wir müssen versuchen, ein Phantombild zu erstellen.«
Heike griff zu einer kleinen Notlüge.
»Ich glaube, das erste Opfer – Julia Sander – wollte sich im Park mit ihrem Freund treffen. Vielleicht hat er ja den Täter zufällig gesehen, ohne zu ahnen, dass dieser auf seine Freundin geschossen hat.«
»Sehr gut!«, sagte Dr. Magnussen. »Warum ist der Mann nicht schon längst vernommen worden?«
»Er hat einen Kreislaufzusammenbruch erlitten, als er die Nachricht vom Tod seiner Freundin erhielt«, berichtete Ben wahrheitsgemäß. Er hatte natürlich Heikes Trick durchschaut. Aber er war kollegial genug, sie nicht zu verpfeifen.
Der Chef verteilte weitere Aufgaben. Ben selbst wurde abkommandiert, um den angeschossenen Marcus Brunner zu befragen. Der Verletzte war ins AKH Bergedorf geschafft worden.
»Ich erwarte Ergebnisse, meine Damen und Herren! Dieser Fall muss schnellstmöglich erfolgreich abgeschlossen werden!«
Mit diesem Satz entließ Dr. Magnussen seine Untergebenen in den Dienstalltag. Beim Herausgehen nahm Ben Heike beiseite.
»Du solltest nicht mit dem Feuer spielen. Es könnte sonst passieren, dass du dir die Finger verbrennst!«, riet er ihr.
»Ich weiß schon, was ich tue«, entgegnete Heike selbstbewusst. »Außerdem hat der Chef gesagt, dass er Ergebnisse erwartet.«
Heikes Dienstpartner brummelte etwas Unverständliches und verzog sich Richtung Parkplatz. Heike telefonierte nach einem Taxi und ließ sich zum Universitätskrankenhaus Eppendorf fahren.
Dort erfuhr sie nach einigem Hin und Her, dass Erik Evermann nach Hause entlassen worden war. Heike bedankte sich. Sie drehte sich auf dem Absatz um und eilte zum Ausgang. Da rief eine Krankenschwester hinter ihr her.
»Warten Sie, Frau Kommissarin!«
Heike stoppte. Die Frau in Weiß kam hinter ihr her.
»Der Patient ist nicht in sein Single-Apartment zurückgekehrt. So weit ich weiß, will er einstweilen bei seinen Eltern bleiben. Ein Chauffeur in Livree hat ihn abgeholt. Bisher habe ich so etwas nur im Fernsehen gesehen.«
Heike bedankte sich noch einmal ganz herzlich. Wie sich herausstellte, hatte das Krankenhaus sogar die Adresse von Erik Evermanns Eltern aufgenommen. Heike rief mit ihrem Handy ein Taxi herbei.
Sie ließ sich zu den Evermanns chauffieren. Die Straßenangabe sagte ihr nichts. Doch der Fahrer war schon bald auf dem Weg nach Blankenese.
Dieses ehemalige Fischerdorf war heutzutage eines der reichsten Quartiere der reichen Stadt Hamburg, wie Heike wusste. An den Hängen von grün bewachsenen Hügeln standen weiße Villen in Exklusivlage, mit unverbaubarem Panoramablick auf die Elbe.
Wer hier lebte, hatte es geschafft. Oder besser gesagt: Er war in die richtige Familie hineingeboren worden. Denn Neureiche gab es nur wenige in Blankenese. Dort residierte das »alte Geld«. Patrizier und andere Großkaufleute, deren Familien seit Jahrhunderten in Hamburg das Sagen hatten ...
Der Taxifahrer fuhr von der Sülldorfer Landstraße hinunter und links an dem Golfplatz vorbei, den es hier selbstverständlich auch gab. Weiter südlich befand sich der Waldpark Falkenstein. Noch eine weitere der zahlreichen Hamburger Parkanlagen!
Das Taxi hielt in einer stillen Seitenstraße. Inmitten eines weitläufigen Gartens hinter schmiedeeisernen Gittern stand eine Villa. Sie war so weiß, dass sie zweifellos jedes Jahr einmal neu gestrichen wurde. Anders war dieses gepflegte Aussehen bei dem Hamburger Schmuddelwetter
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