FreeBook Die tote Unschuld - Soko Hamburg Bd 1
das konnte Heike nur Recht sein. Für ein flüchtiges Abenteuer war sie sich zu schade. Jedenfalls hatte sie sich bis über beide Ohren in den gut aussehenden Süddeutschen verliebt. Sie musste sich zwingen, allmählich aus ihren romantischen Tagträumen zu erwachen. Und sich auf ihren Job zu konzentrieren ...
»Die Tat ist also in Bergedorf geschehen?«, hakte sie bei Ben nach, der seinen Passat Richtung Osten lenkte.
»Ja, buchstäblich am äußersten Rand von Hamburg. Du kennst den Bergedorfer Schlossgarten?«
»Ja, da gibt es doch so einen richtigen alten Burggraben.«
»Sozusagen. Jedenfalls ist es auch eine Parkanlage. Und dort wurde vor gut einer Stunde die Tat begangen. Wahrscheinlich passt sie in unsere Serie. Ob dieselbe Waffe benutzt wurde wie bei Julia Sander und Wilhelm Krone, werden die Ballistiker erst morgen sagen können.«
»Was ist mit dem Opfer, Ben?«
»Oberschenkeldurchschuss, aber keine Lebensgefahr. Ich muss dir übrigens Abbitte leisten, Heike.«
»Wieso?«
»Diesmal ist es ganz eindeutig, dass ein Schalldämpfer benutzt worden sein muss. Ich dachte immer, so ein Zubehör wäre nur etwas für das Organisierte Verbrechen. Aber offenbar kann auch ein durchgedrehter Serienmörder ...«
»Nun hör' doch mal auf mit deinem Serienmörder!«, gab Heike leicht genervt zurück.
»Wieso ist es klar, dass der Täter einen Schalldämpfer benutzt hat?«
»Weil mehrere Zeugen in Hör- und Sichtweite waren, als der Schuss fiel«, antwortete Ben. »Keiner von ihnen hat aber auch nur das leiseste Schussgeräusch gehört. Das Opfer – er heißt Marcus Brunner – joggte durch den Schlossgarten und fiel plötzlich hin. Alle Zeugen glaubten, er sei mit dem Fuß umgeknickt oder so etwas. Als sie ihm zu Hilfe eilten, entdeckten sie die blutende Wunde. Aber da waren seit der Tat schon zwei oder drei Minuten vergangen.«
Sie kamen mit dem Passat gut durch. Schon bald erblickten sie im Zentrum des Stadtteils Bergedorf von weitem das Schloss, in dem ein Museum untergebracht war. Der Schlosspark selbst war eher klein. Er wurde von einem Wassergraben umgeben. Auf vier kleinen Brücken oder Stegen konnte man dorthin gelangen.
Die Technische Abteilung war wieder einmal bereits vor Ort.
»Gute Nachrichten am frühen Morgen!«, rief einer der Techniker, als Ben und Heike aus dem Passat stiegen. »Wir haben Fußspuren von dem mutmaßlichen Täter. Wahrscheinlich ist es der gleiche Galgenvogel wie bei dem Stadtpark-Mord.«
Die beiden Kriminalbeamten gingen auf den Schlossgarten zu.
»Ich verstehe nicht, warum du immer noch zweifelst, dass wir es mit einem Serienmörder zu tun haben, Heike.«
»Weil er nicht in Serie mordet, Ben! Ermordet hat er nur Julia Sander, aber dafür auch mit professioneller Genauigkeit. Und mit der gleichen Präzision hat er Wilhelm Krone und Marcus Brunner nur angeschossen. Er hätte sie auch umbringen können, kein Zweifel.«
»Und warum hat er es nicht getan?«
»Weil er ein Profi ist, der nur Julia Sander erledigen sollte.«
Ben seufzte und verdrehte die Augen in Richtung des leicht bewölkten Morgenhimmels. Aber immerhin widersprach er nicht weiter, was Heike schon als einen Teilerfolg für sich verbuchte.
Es gab drei Zeugen, die aufgeregt neben einem Streifenwagen der uniformierten Kollegen warteten. Es waren eine Joggerin, ein Postbote mit Fahrrad und ein ziemlich angetrunkener Nachtschwärmer. Sie alle sagten jedenfalls das Gleiche aus. Sie waren im Schlossgarten unterwegs gewesen. Alle hatten Marcus Brunner im Blickfeld gehabt, als er plötzlich gestürzt war. Keiner von ihnen hatte einen Schuss gehört.
»Es gab also wirklich kein Geräusch?«, bohrte Heike nach.
»Na ja, so ein leiser Knall«, räumte der Postbote ein. »So, als ob eine aufgeblasene Brötchentüte zum Platzen gebracht wird. Und zwar nicht direkt neben einem, sondern weiter entfernt.«
Die Kriminalistin nickte. Vermutlich ohne es zu wissen, hatte der Briefzusteller das Geräusch eines schallgedämpften Schusses gut beschrieben.
Doch den Täter hatte niemand gesehen. Die Technische Abteilung stellte nicht nur die Fußabdrücke sicher. Sie fand auch heraus, dass der Verbrecher nach der Tat mit einem Fahrrad geflüchtet sein musste.
Aber das war inzwischen fast zwei Stunden her. Eine Großfahndung würde jetzt nichts mehr bringen. Abgesehen davon, dass es immer noch keine Täterbeschreibung gab.
»Der Täter ist schlau«, sagte Ben. »Verflixt schlau. Der Chef wird nicht gerade begeistert sein.«
*
Das war noch untertrieben.
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