FreeBook Die tote Unschuld - Soko Hamburg Bd 1
ältere Mann am anderen Ende der Leitung schwieg.
»Ich habe ein Geständnis bei einem Hamburger Anwalt deponiert«, fuhr der Schweizer fort. »Ich muss ihn stündlich anrufen, damit er den Umschlag nicht öffnet und an die Polizei weiterleitet. Wenn Sie mich töten oder töten lassen, können Sie nicht verhindern, dass Sie selbst auffliegen. Es sei denn, dass Sie gleichzeitig auch alle Hamburger Advokaten beseitigen ...«
»Sie kriegen Ihr Geld«, knurrte der ältere Mann. »Aber eben erst übermorgen. Wo und wann ...?«
Bevor er den Satz beenden konnte, fiel ihm der junge Mann in der Telefonzelle ins Wort.
»Ich werde mich rechtzeitig wieder bei Ihnen melden. – Auf Wiederhören!«
Er hängte den Hörer auf die Gabel. Dann verließ er die Telefonzelle.
6. Kapitel
»Frau Stein – sofort in mein Büro!«
Schon am Tonfall ihres Chefs hörte Heike am nächsten Morgen, dass ihr Ärger ins Haus stehen würde. Und so war es auch.
Dr. Magnussen warf ihr einen Unheil verkündenden Blick zu.
»Ich habe hier eine offizielle Beschwerde über Sie, Frau Stein.«
»Wirklich, Herr Dr. Magnussen?«
»Ja, mit solchen Dingen treibe ich keine Späße!« Der Kriminaloberrat sah in diesem Moment allerdings auch nicht so aus, als ob er jemals einen Witz machen würde. Sein Schnurrbart sträubte sich förmlich. Er hieb die Zähne in das Mundstück seiner kalten Pfeife. »Sie sind gestern in das Haus der Familie Evermann eingedrungen und haben sich völlig unmöglich benommen!«
Heike zuckte mit den Schultern.
»Ich habe nur versucht, eine ganz normale Zeugenaussage zu bekommen. Das erwies sich als äußerst schwierig. Herr Evermann senior war nicht sehr kooperativ, ehrlich gesagt.«
»Sie haben ihn des Mordes an Julia Sander bezichtigt!«
»So hat er das aufgefasst, Herr Dr. Magnussen. In Wirklichkeit habe ich nur festgestellt, dass er das Opfer kannte und über ihren Tod nicht gerade betrübt war. Das sind simple Tatsachen.«
»Sie wollten auch ein Alibi von ihm!«
»Natürlich. Aber das ist doch Routine, oder? Schließlich kannte er das Opfer. Wenn ich beispielsweise umgebracht werde, wird der Ermittler auch von Ihnen ein Alibi haben wollen, Herr Dr. Magnussen. Weil Sie mich eben auch kennen ...«
Der Kriminaloberrat starrte Heike an. Er schien zu überlegen, ob er ihre Bemerkung als Frechheit oder persönliche Beleidigung verstehen sollte. Aber er wusste im Grunde, dass sie Recht hatte. Dr. Magnussen schlug nun einen versöhnlicheren Ton an.
»Gewiss, Sie haben nur Ihre Pflicht getan, Frau Stein. Vielleicht wissen Sie auch nicht so genau, was für eine Bedeutung der Familie Evermann zukommt.«
»Sie sind offenbar reich und mächtig.«
»Das ist fast noch untertrieben«, seufzte der Kriminaloberrat. »Die Evermanns genießen höchstes Ansehen in unserer Stadt.«
»Aber hier geht es um Mord! Und ich bin überzeugt, dass der Tod von Julia Sander für Evermann senior nicht ungelegen kam. Er konnte sie offenbar nicht leiden und hatte andere Pläne mit seinem Sohn. Eine Heirat zwischen Julia Sander und Erik Evermann war nicht vorgesehen.«
Der Kriminaloberrat seufzte.
»Sie haben sich völlig verrannt, Frau Stein. Daher sehe ich mich gezwungen, Ihnen den Fall zu entziehen.«
»Aber das können Sie nicht machen!«, rief Heike spontan.
»Ich bin Ihr Vorgesetzter!«, sagte Dr. Magnussen kalt. »Und ich bestimme, wie die anfallenden Aufgaben verteilt werden. Sie bearbeiten ab sofort das Tötungsdelikt aus Harvestehude.«
Heike nickte grimmig. In Harvestehude war ein toter Mann in einem Pensionszimmer aufgefunden worden. Er hatte keine Papiere bei sich. Auch sonst nichts, was auf seine Identität hinwies. Er hatte sich unter falschem Namen in der Pension eingemietet. Dann war er von einem Unbekannten erschlagen worden.
Sein Tod lag inzwischen ein halbes Jahr zurück. Dass der Täter noch ermittelt werden konnte, war so gut wie unwahrscheinlich. Daher galt die Arbeit an diesem Fall in der Sonderkommission Mord als eine Art Beschäftigungstherapie – wenn sonst nichts Dringendes anlag ...
Heike öffnete den Mund, um erneut zu protestieren. Aber Dr. Magnussen machte mit seinem Pfeifenstiel eine Bewegung, als wolle er ihr das Wort abschneiden.
»Ich will nichts mehr hören. Holen Sie sich die Harvestehude-Akte aus dem Archiv, Frau Stein!«
Heike drehte sich wortlos um. Sie kämpfte mit den Tränen. Stärker als je zuvor war sie der Meinung, auf der richtigen Fährte zu sein.
Vielleicht hatte Evermann senior ja von der geplanten Hochzeit
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