freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
notierte: 2. Großer Abstand von Stuhl und Tisch.
»Das benutzte Seil war neu, eine gewöhnliche Wäscheleine. Das Opfer selbst, oder der Mörder, muß sie eigens für die Tat gekauft
haben. Wir versuchen, den Hersteller zu ermitteln, aber das wird eine Weile dauern, zudem ist das Modell vermutlich in Hunderten
von Geschäften erhältlich. Ich weiß nicht, ob das richtige zu ermitteln sein wird. Der Schiedsrichter hatte ein Handy, über
dessen Verbleib nichts bekannt ist. Die Ehefrau gibt an, daß er sie, kurz bevor er das Hotel verließ, zu Hause angerufen habe.
Er könnte das Handy also im Hotel gelassen oder mit ins Stadion genommen haben. Wo auch immer es war – das Handy ist verschwunden.
Irgend jemand muß es mitgenommen haben, weil dieser Jemand befürchtete, es könnten kompromittierende Telefonnummern darin
gespeichert sein. Die Verbindungsübersichten wurden beantragt.«
Der Tee war ausreichend abgekühlt. Luciani trank einen Schluck und notierte: 3. Mobiltelefon.
»Ferretti hatte die Angewohnheit, sich alleine umzuziehen. Vielleicht, weil er seine Ruhe haben wollte, vielleicht aus Schamgefühl.
Gewöhnlich gibt es in den Stadien eine Umkleidekabine, in der sich Schieds- und Linienrichter gemeinsam |62| aufhalten. Das Opfer zog es jedoch vor, sich abzusondern, auch wenn es dazu die komfortable Umkleide den Kollegen überlassen
und sich selbst mit einem abgelegenen und schäbigen Raum, wie in Marassi, begnügen mußte.« Er schüttelte den Kopf bei dem
Gedanken, daß sich auch in seinem Tennisclub nicht wenige nach dem Spiel den Trainingsanzug überstreiften und zum Duschen
nach Hause fuhren. »Da er dies nicht zum ersten Mal tat, gibt es keinen Grund für die Annahme, daß er diesmal gezielt agiert
hätte, um seiner Selbsttötungabsicht nachzukommen. Und da viele über seine Gepflogenheiten unterrichtet waren, hätten seine
etwaigen Mörder ihn dort auch abpassen und anschließend unbemerkt verschwinden können. Das ist zwar nicht einfach, aber auch
nicht unmöglich.«
Er schaltete das Aufnahmegerät aus, trank noch einen Schluck Tee und dachte eine Weile nach. Dann schaltete er es wieder an:
»Der erste, der Alarm geschlagen hat, war Linienrichter Adelchi. Der Schiedsrichter verspätete sich, Adelchi ging ihn holen,
fand die Tür verschlossen, bekam keine Antwort. Nach einer Weile traf auch Cavallo, der zweite Linienrichter, ein. Dieser
holte sofort den Hausmeister, der mit einem Universalschlüssel kam. Den Schlüssel der Umkleide hat gewöhnlich der Hausmeister,
der ihn dem Schiedsrichter bei dessen Eintreffen im Stadion und dann wieder zur Pause ausgehändigt hatte. Aber dann kam der
Schlüssel abhanden. Es scheint evident, daß ihn jemand hat verschwinden lassen. Womöglich der Mörder, um bei seinem Rückzug
Zeit zu gewinnen. Oder womöglich der Schiedsrichter selbst, um dem Ganzen den Anschein eines Mordes zu geben. Aber wo hat
er ihn dann entsorgt? Die gesamte Räumlichkeit wurde einer Kontrolle unterzogen, Leitungsschächte eingeschlossen, doch ohne
Ergebnis. War es jemand, der später am Tatort eintraf? Doch zu welchem Zweck?« Er notierte: 4. Schlüssel.
|63| »Der Raum ist, wie gesagt, abgelegen. Man erreicht ihn nur über einen Haupteingang, der von zwei Polizisten bewacht wurde,
außerdem muß man, um in den Korridor zu gelangen, am Hausmeister vorbei, der versichert, daß er niemanden hat hineingehen
oder herauskommen sehen. Die Beamten haben verschiedene Personen mit Zugangsberechtigung durchgelassen, und der Hausmeister
gibt zu, daß er ›für einige Minuten‹ seine Stellung verlassen hat, um auszutreten, was wahrscheinlich bedeutet, daß er sich
die ganze erste Halbzeit vom Spielfeldrand aus ansah. Theoretisch hätte jemand, der abgebrüht genug und im Besitz eines gefälschten
Zugangsausweises war, während des Spiels hineingehen und den Schiedsrichter vor seiner Umkleide abpassen können. Dann hätte
er ihn mit einem Schlag betäuben, aufknüpfen, sich in der Turnhalle verstecken und die allgemeine Verwirrung abwarten können,
um zu verschwinden.
Die bisherigen Zeugenaussagen haben keine klaren Indizien geliefert, weder zugunsten der Mord- noch der Selbstmordtheorie.
Die Gattin des Opfers hat noch einmal wiederholt, daß Ferretti keine Feinde hatte, räumte aber ein, es habe familiäre Probleme
gegeben und Ferretti habe in letzter Zeit niedergeschlagen und besorgt gewirkt.«
Er schaltete das Aufnahmegerät ab, schrieb
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